Vergleicht man die Kursperformance der Aktien von Siemens und General Electric(GE) seit dem Beginn der Finanzkrise im September 2008, schneiden die Titel des Dax-Mitglieds deutlich besser ab als die Papiere des Dow Jones-Mitglieds. Während die Deutschen auf einen Zuwachs von 40,6 Prozent kommen, verbuchen die US-Amerikaner nur 22,2 Prozent verbuchen (Stand 27.11.2014).

Im kurzfristigen Vergleich ergibt sich allerdings ein anderes Bild. Misst man die bisherige Entwicklung im Jahr 2014, liegt GE mit einem Plus von 6,7 Prozent vorne. Siemens dagegen fällt mit einem Minus von 2,9 Prozent ab.

Im Gegensatz zu den Aktienkursen konnten die Geschäftszahlen in den vergangenen sechs Jahren nicht zulegen. Bei Siemens ging der Umsatz zwar nur leicht zurück, der Nettogewinn brach aber um ein Viertel ein. Bei GE schrumpften Umsatz und Nettogewinn um rund 13 bzw. 17 Prozent - und damit fast auf gleichem Niveau. Schaut man sich die Entwicklungen von Jahr zu Jahr an, lassen sich bei beiden Konzernen teilweise starke Schwankungen feststellen.



Die gravierenden Unterschiede zwischen Kursperformance und Geschäftsentwicklung werfen die Frage auf, wie es für die Aktien weitergehen wird.

Um diese Frage zu beantworten, hat BÖRSE ONLINE die Papiere miteinander verglichen. Zu diesem Zweck haben wir uns ausführlich mit den Einschätzungen der Analysten befasst. Über diese kann man sich zwar streiten, doch ignorieren sollte man sie nicht. Die Einschätzungen der Experten können bei der Anlageentscheidung helfen. Am Ende sollte sich aber jeder Anleger seine eigene Meinung bilden.

Auf Seite 2: Wie schätzen Analysten die Aktien ein?



Wie schätzen Analysten die Aktien ein?

Betrachtet man bei Bloomberg das aktuell durchschnittliche Rating aller Analysten, die ihre Einschätzungen während der letzten 12 Monate aktualisiert haben, fallen die Urteile zu beiden Aktien recht ähnlich aus.

Mit einem 4er-Konsensrating werden beide Papiere als "schwacher Buy" eingestuft. Dabei liegen die Titel von GE leicht vorne - ein Umstand, der sich durch die höhere Anzahl der Kaufempfehlungen erklären lässt. Demnach würden zwei Drittel der Branchenkenner die Anteilsscheine ins Depot aufnehmen, das andere Drittel würde sie halten. Im Falle von Siemens würde etwas mehr als die Hälfte der Analysten die Aktien ordern, etwas weniger als die Hälfte würde sie beobachten. Die Zahl der negativen Urteile ist bei beiden Papieren verschwindend gering.



Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass beide Aktien von Analysten ähnlich eingeschätzt werden. Sowohl Siemens als auch GE gelten als schwacher Kauf.

Erläuterungen:

Quelle: Bloomberg, Stand 27.11.2014, 11.00 Uhr

Konsensrating: Aktuell durchschnittliches Rating aller Analysten, die während der letzten 12 Monate aktualisiert haben. (5= Buy, 4= schwacher Buy, 3= Hold, 2= schwacher Sell, 1= Sell).

Buys: Die Zahl der Analysten, die den Kauf des Wertpapiers empfehlen, und der Prozentsatz aller Analysten, die diese Empfehlung abgeben.

Holds: Die Zahl der Analysten, die empfehlen, das Wertpapier zu halten, und der Prozentsatz aller Analysten, die diese Empfehlung abgeben.

Sells: Die Zahl der Analysten, die den Verkauf des Wertpapiers empfehlen, und der Prozentsatz aller Analysten, die diese Empfehlung abgeben.

Um sich ein Gesamtbild von der Meinung der Analysten zu machen, reicht es allerdings nicht aus, sich auf den Status Quo zu konzentrieren. Man muss auch einen Blick darauf werfen, wie sich die Einschätzungen der Experten über einen längeren Zeitraum entwickelt haben. Daraus lassen sich am Ende eventuell Trends ableiten.

Auf Seite 3: Wie haben sich die Einschätzungen der Analysten entwickelt?



Wie haben sich die Einschätzungen der Analysten entwickelt?

Anleger können einen Kauf von Siemens und GE erwägen, lautet das allgemeine Urteil der Analysten zu beiden Aktien.

Doch wurden die Titel auch vorher so betrachtet wie momentan? Wirft man einen Blick auf die Einschätzungen von vor einem Jahr, lautet die Antwort ja und nein.

Was die jeweiligen prozentualen Anteile der Kauf-, Halte- und Verkaufsempfehlungen betrifft, hat sich fast nichts getan. Nennenswert sind höchstens die leichten Rückgänge bei den "Sells" für Siemens und bei den "Holds" für GE. Was das Konsensrating betrifft, gab es jedoch eine wichtige Verschiebung: Siemens wurde von "Hold" auf "schwacher Buy" hochgestuft. Dazu reichte bereits eine geringfügige Reduzierung der Verkaufsempfehlungen zugunsten der Halte- und Kaufempfehlungen.



Lassen sich aus den vorliegenden Daten Trends ableiten? Nein, denn: In den vergangenen Monaten tendierten die Meinung der Analysten bei Siemens immer stärker zu "Hold", bei GE dagegen immer stärker zu "Buy". Während die Kursziele bei Ersteren gesenkt wurden, wurden sie bei Letzteren angehoben.

Auf den folgenden beiden Seiten haben wir Chancen und Risiken gegenübergestellt, die Analysten bei beiden Firmen sehen.

Auf Seite 4: Wo sehen die Analysten Chancen und Risiken von Siemens?



Wo sehen die Analysten Chancen und Risiken von Siemens?



Auf Seite 5: Wo sehen die Analysten Chancen und Risiken von General Electric?



Wo sehen die Analysten Chancen und Risiken von General Electric?



Auf Seite 6: Wie viel Kurspotenzial trauen Analysten den Aktien zu?



Wie viel Kurspotenzial trauen Analysten den Aktien zu?

Analysten kommen bei Siemens und GE zu einem sehr ähnlichen Ergebnis: Beide Aktien haben derzeit ein geringes Kurspotenzial von weniger als zehn Prozent.



12 M. Zielkurs: Konsens-Zielkurs (Währung)

Letzter Kurs: Stand 27.11.2014, 11:30 Uhr

Ertragspotential: Das zukünftige Renditepotential des Best-Konsens-Zielkurses und des letzten Kurses der Aktie.

LTM Rendite: 1-Jahresertrag des Wertpapiers

Das bedeutet allerdings nicht, dass es unter den Analysten keine deutlicheren Ausschläge nach oben gibt.

Bei Siemens zeigt sich vor allem Daniela Costa von Goldman Sachs optimistisch. Sie sieht das Ende der Fahnenstange bei 118,00 Euro. Damit würde sich - auf Basis des aktuellen Kurses - eine Zuwachsquote von rund 22 Prozent ergeben.

Für GE legt besonders Scott Davis von Barclays eine Hand ins Feuer. Er beziffert er den Höchstwert auf 25,01 Euro. Das entspräche einer Zuwachsquote von rund 16 Prozent.

Auf Seite 7: Fazit



Fazit:

Sowohl Siemens als auch GE werden von Analysten als "schwacher Buy" eingestuft.

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum haben sich die Einschätzungen zu beiden Aktien kaum verändert. Allerdings reichte bei Siemens eine leichte Verbesserung des Konsensratings, um das Papier von "Hold" auf "schwacher Buy" hochzustufen. Diese positive Entwicklung hat sich allerdings in den vergangenen Monaten etwas eingetrübt. Umgekehrt haben die Titel von GE in der jüngsten Zeit immer mehr Zuspruch erfahren.

Was die Chancen und Risiken betrifft, führen Analysten auf beiden Seiten Pro- und Contra-Punkte auf. Welche Punkte man schwerer gewichtet, bleibt wohl eine individuelle Sache.

Kurspotenzial sehen die Experten bei beiden Titeln kaum. Einzelne Analysten trauen den Papieren aber zweistellige Zuwachsraten zu.

Auf Seite 8: Was empfiehlt BÖRSE ONLINE?



Was empfiehlt BÖRSE ONLINE bei Siemens?

Siemens:

Mit dem Geschäftsjahr 2015 steht dem Industriekonzern nach dem im Mai angekündigten Strategiewechsel laut Chef Joe Kaeser ein Jahr der "operativen Konsolidierung" bevor. Siemens rechnet für das im Oktober angelaufene Geschäftsjahr 2015 mit einem Umsatz lediglich auf Niveau des Vorjahres von rund 72 Milliarden Euro. Den Nettogewinn will Konzernchef Joe Kaeser laut Konzernprognose um mindestens 15 Prozent gegenüber den 5,5 Milliarden Euro des Vorjahres steigern. Darin dürften allerdings auch Veräußerungsgewinne in erheblichem Umfang enthalten sein. Siemens gab zeitgleich den Verkauf der Hörgerätesparte an den schwedischen Finanzinvestor EQT und die Hexal-Gründerfamilie Strüngmann für knapp 2,2 Milliarden Euro bekannt.

"Wegen geopolitischer Spannungen wird das Geschäftsumfeld in der Periode 2015 komplex sein", gab sich Kaeser vorsichtig. Der Vorstandschef will den DAX-Konzern weiter umbauen und setzt dabei zunehmend auf den Energiebereich. Zuletzt hatte Siemens mit dem amerikanischen Kompressorenhersteller Dresser Rand sowie der Turbinensparte der britischen Rolls Royce hier zwei Milliardenübernahmen gestemmt. Kaeser setzt mit Ausrüstungstechnik auf das boomende Geschäft mit dem so genannten Fracking, einer modernen Fördermethode.

Viele Beobachter fragen sich allerdings, ob das Timing der Übernahmen nicht unglücklich war. Zuletzt fiel der Ölpreis wegen des hohen Angebots an Fracking-Öl und der anhaltend hohen Förderung der OPEC-Staaten stark. Damit aber sinken die Gewinnaussichten der Ölkonzerne und damit womöglich auch deren Investitionsbudgets. Die Notierung der US-Ölsorte WTI kostet derzeit nur noch rund 78 Dollar pro Barrel, im Juni lag die Notierung noch weit über 100 Dollar.

Vom fallenden Ölpreis zeigt sich Kaeser unterdessen unbeeindruckt. "Wir rechnen keineswegs mit einer fallenden Nachfrage nach Ausrüstung", sagte der Siemenschef. Die durchschnittliche Gewinnschwelle in der Frackingbranche liege derzeit bei 57 Dollar für das Fass Rohöl.

Siemens richtet sich zudem auf eine mögliche Abspaltung der Medizintechnik ein. Der Bereich, der mit über 20 Prozent die höchsten Gewinnmargen im gesamte Konzern liefert, müsse sich an starke Veränderungen im der Branche einstellen. Kaeser verglich die Entwicklung mit der in der Kommunikationstechnologie Anfang des Jahrtausends. "Wir müssen gerüstet sein und dürfen keinen Trend verpassen", sagte Kaeser.

Der Siemens-Chef, der in der Medizintechnik die geringsten Synergien mit dem restlichen Geschäft sieht, drängt auf mehr Eigenständigkeit. Deshalb werden jetzt Landesgesellschaften der Sparte Healthcare, auch in Deutschland, rechtlich verselbstständigt. Die komplette rechtliche Ausgliederung des Hauptgewinnbringers ist danach rasch möglich. "Das ist zeitlich schnell zu bewältigen", sagte Finanzchef Ralf Thomas am Rande der Veranstaltung in Berlin gegenüber Börse Online. Analysten sehen in einer Ausgliederung und einem anschließenden Spin-Off oder Verkauf eine Chance, Werte für Aktionäre zu heben. Siemens hatte dies im Falle der Lichttechniktochter Osram schon einmal praktiziert, die im Jahr 2013 als Spin-Off an die Börse gebracht wurde. Im Falle von Osram hatte die Entwicklung der LED-Technik den Ausschlag gegeben.

Der Siemens-Chef bezeichnete das Ende September abgelaufene Geschäftsjahr als "Jahr der Aufbruchs". Das Gewinnziel wurde mit einem Zuwachs beim Nettoergebnis um 25 Prozent auf 5,5 Milliarden Euro erreicht. Die Münchner hatten sich vorgenommen, den Nettogewinn des Vorjahres von 4,4 Milliarden Euro um mindestens 15 Prozent zu übertreffen. Der Umsatz sank jedoch um zwei Prozent auf 71,9 Milliarden Euro. Kaeser gestand ein, Marktanteile gegenüber dem Wettbewerb verloren zu haben: "Wir hinken beim Wachstum hinterher."

Der Industriekonzern blieb zudem mit seinen Quartalszahlen für das abgelaufene Quartal leicht hinter den Erwartungen zurück. Siemens steigerte den Umsatz zwar um ein Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 20,6 Milliarden Euro, Analysten hatten im Schnitt jedoch mit 21 Milliarden gerechnet. Der operative Gewinn der vier Sektoren erreichte mit knapp 2,2 Milliarden Euro immerhin nah an die Schätzungen von 2,24 Milliarden heran. Beim Auftragseingang lief es im letzten Quartal des Geschäftsjahres besser, die Ordereingänge überstiegen mit 20,7 Milliarden die Erwartungen etwas.

Erneut drückten unerwartete Belastungen das Ergebnis der Bayern. Nachdem zuletzt vor allem das Geschäft mit Stromanbindungen für Verdruss gesorgt hatte, rutschte nun der Bereich Windturbinen in die Verlustzone. Technische Probleme mit Rotorblättern sowie Lagerschäden verursachten laut Energie-Chefin Lisa Davis Kosten in Höhe von 223 Millionen Euro.

Laut Davis sank überdies der Auftragseingang im Bereich Energietechnik um fünf Prozent im Quartal. "Wir haben einiges an Arbeit vor uns", so die Energiechefin, die im Frühjahr vom Ölriesen Shell zu Siemens gekommen war und vom texanischen Houston aus das Energiegeschäft des deutschen Konzerns lenkt.

Aktionäre dürfen sich dennoch auf eine um zehn Prozent höhere Dividende freuen. Kaeser kündigte für das abgelaufene Geschäftsjahr eine Ausschüttung von 3,30 Euro an, was etwas über den Erwartungen lag.

Die schlechte Nachricht: Erst 2016 soll das Unternehmen wieder nennenswert wachsen. Klar ist zudem, dass der operative Gewinn 2015 kaum vom Fleck kommt. Die angekündigte Nettogewinnsteigerung stammt hauptsächlich aus Verkäufen, etwa der Hausgerätetechnik oder den Hörgeräten. Charttechnisch läuft das Papier in einer Seitwärtsspanne zwischen 75 und 100 Euro. Wir stufen das Papier herunter - von Kaufen auf Halten.

Stopp: 73,00 Euro; Ziel: 100 Euro.

Halten

Stephan Bauer

Auf Seite 9: Was empfiehlt BÖRSE ONLINE bei General Electric?



General Electric:

General Electric geht mit seiner Strategie aus Zu- und Verkäufen einen ähnlichen Weg wie Siemens. Dass die Konkurrenten dabei kollidieren können, zeigte zuletzt der Bieterkampf um das lukrative Energiegeschäft des französischen Alstom-Konzerns, aus dem GE als Sieger hervorging. Der Milliardendeal soll den Amerikanern dabei helfen, bis 2016 75 Prozent der Gewinne durch das Industriegeschäft zu erwirtschaften.

Auf der anderen Seite wirft GE unnötigen Ballast über Bord. Jüngstes Beispiel ist die Hörgerätesparte, die an die schwedische Firma Electrolux ging. Langfristig wird aber vor allem der Rückzug aus dem Geschäft mit Finanzdienstleistungen eine wichtige Rolle spielen. In den vergangenen Jahren verbuchte die Tochtergesellschaft GE Capital, die lange als zweites Standbein des Konzerns galt, immer weniger Umsatz und Gewinn. Aus diesem Grund wurde bereits die Sparte für Konsumentenkredite und das Bankgeschäft ausgemistet.

Die Fokussierung auf das Industriegeschäft macht Sinn - nicht nur, weil das größte Segment im Konzern ist, sondern auch, weil es das stärkste Wachstum bei Umsatz und Gewinn generiert. Das zeigen zumindest die Zahlen fürs dritte Quartal. Von Juli bis September kletterte der Umsatz um drei Prozent und der Gewinn um neun Prozent. Konzernweit dagegen legten Umsatz und Gewinn nur um ein bzw. drei Prozent zu. Insgesamt erzielte GE einen Erlös von 36,2 Milliarden Dollar, davon knapp 74 Prozent durch das Industriegeschäft. Unterm Strich stand ein Gewinn von 3,8 Milliarden Dollar.

Für das restliche Geschäftsjahr sieht Vorstandschef Jeff Immelt GE gut aufgestellt, vor allem dank des starken Auftragsbestands, der allein im dritten Quartal um 22 Prozent stieg und ein Volumen von 250 Milliarden Dollar erreichte. Weitere Wachstumsmöglichkeiten wittert er im Infrastrukturbereich.

Aus Sicht von BÖRSE ONLINE befindet sich GE auf dem richtigen Weg. Die Strategie des Konzerns dürfte sich langfristig auszahlen. Weitere Übernahmen oder Verkäufe könnten dem Aktienkurs positive Impulse geben. Das Papier ist mit einem geschätzten 2015er-Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14,7 nicht mehr günstig, aber auch nicht teuer. Die Dividendenrendite dürfte in diesem Jahr bei mehr als drei Prozent liegen. Insgesamt ein ordentliches Paket für Anleger. Wir schrauben das Kursziel von 23 auf 26 Euro hoch.

Stopp: 16,50 Euro; Ziel: 26,00 Euro

Kaufen

Nikolaus Hammerschmidt