Doch ausgerechnet in der Windkraft-Tochter Siemens Gamesa, dem Hoffnungsträger für die Zukunft des Konzerns, ist er zur Untätigkeit verurteilt - und braucht Geduld, die er nicht hat. Bei dem börsennotierten Unternehmen darf der Mutterkonzern nur über den Verwaltungsrat mitreden - in dem Bruch nicht einmal sitzt. Doch die jüngste Gewinnwarnung der spanischen Tochter könnte die Dinge in Bewegung bringen.

Siemens Energy lote gerade Wege aus, wie man die Kontrolle über Siemens Gamesa gewinnen könne, sagten zwei mit den Überlegungen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Doch das kann dauern - oder teuer werden. "Das ist keine ideale Situation - aber es wird einige Zeit dauern, bis man das hinbekommt", sagte eine von ihnen. Bruch hatte schon Anfang Mai ungewöhnlich laut über eine Komplettübernahme von Siemens Gamesa nachgedacht. "Das steht natürlich irgendwann im Raum", sagte er damals. Zwei Wochen später musste Siemens Energy auf Drängen der spanischen Börsenaufsicht offiziell dementieren, dass es konkrete Pläne dafür gebe.

Um Siemens Gamesa von der Börse zu nehmen und durchregieren zu können, müsste Siemens Energy einen Großteil der restlichen 33 Prozent der Anteile einsammeln, die im Streubesitz sind. Und die sind immer noch fünf Milliarden Euro wert, selbst nach dem jüngsten Kurssturz. Ein Aufschlag, der die übrigen Aktionäre zum Verkauf locken würde, ist dabei noch nicht eingerechnet. Eine mögliche Kapitalerhöhung zur Finanzierung wäre angesichts des gebeutelten Aktienkurses von Siemens Energy "schmerzhaft für die eigenen Aktionäre", warnten die Analysten von JPMorgan. Sonst bliebe Bruch nur zu warten, bis der Kurs der Gamesa-Aktie noch weiter einbricht. "Dann wäre eine Übernahme sehr attraktiv", hieß es in einer Bernstein-Studie.

AUF DISTANZ GEHALTEN


Die stolzen Spanier waren immer schon tunlichst darauf bedacht, die Deutschen auf Distanz zu halten. Der ehemalige Siemens-Chef Joe Kaeser - heute Aufsichtsratschef von Siemens Energy - hatte Anfang 2020 geglaubt, den größten Quertreiber zu eliminieren, indem er dem spanischen Großaktionär Iberdrola für 1,1 Milliarden Euro dessen Acht-Prozent-Paket teuer abkaufte. Siemens Energy hat seither vier Vertreter im zwölfköpfigen Verwaltungsrat von Siemens Gamesa, doch sind mit Finanzchefin Maria Ferraro und Vorstand Tim Holt nur zwei aus der Führungsetage. Ihr Einfluss auf das Tagesgeschäft in Spanien: gleich Null. Vom gesamten Ausmaß der Probleme im Onshore-Geschäft von Siemens Gamesa erfuhr man bei Siemens Energy Insidern zufolge erst am Tag der Veröffentlichung der Gewinnwarnung.

Dabei sind viele Probleme hausgemacht. Im Brennpunkt steht das Geschäft mit Windrädern an Land, wo Siemens Gamesa - Weltmarktführer bei Anlagen auf hoher See - hinter der Konkurrenz herhinkt: Im vergangenen Jahr ließ man sich bei einem Großprojekt in Norwegen vom Winter in Skandinavien überraschen, nun behindern Corona und die Folgen die Arbeit an der neuesten Generation von Windrädern in Brasilien. Die steigenden Preise für Stahl und Kupfer haben Siemens Gamesa offenbar auch auf dem falschen Fuß erwischt.

Siemens Energy und Siemens Gamesa lehnten eine Stellungnahme ab.

rtr