Siemens Healthineers will damit sein kleinstes Geschäftsfeld, Advanced Therapies, ausbauen, in dem der Konzern Roboter und andere Geräte baut, die Ärzten im OP und bei Behandlungen unter die Arme greifen. "Corindus ist auf diesem Gebiet der klare Vorreiter", sagte Spartenchef Michel Therin am Donnerstag.

Mit den Robotern von Corindus ließen sich Operationen am Herzen oder an Blutgefäßen präziser, schneller und effektiver durchführen, erklärte Healthineers-Chef Bernd Montag. Damit können Ärzte Katheter oder Stents quasi ferngesteuert über einen Monitor einsetzen, der ihnen das Bild des kranken Gefäßes anzeigt. Der Vorteil: Sie müssen dabei nicht an dem Röntgengerät oder dem Computertomografen stehen, der ihnen das Gefäß zeigt. Therin sagte, mittel- bis langfristig dürften 15 Prozent aller komplizierten medizinischen Eingriffe von Robotern unterstützt werden.

Noch steckt Corindus aber in den Kinderschuhen: 2018 erwirtschaftete die sechs Jahre zuvor gegründete Firma aus der Nähe von Boston mit 100 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp elf Millionen Dollar Umsatz - und 35 Millionen Dollar Verlust. Mit der Durchschlagskraft des eigenen Vertriebs hofft Healthineers, dass sich die 480.000 Dollar teuren Geräte von Corindus besser verkaufen. Spätestens 2023 solle der Zukauf schwarze Zahlen schreiben, sagte Finanzvorstand Jochen Schmitz.

Advanced Therapies ist mit 1,5 Milliarden Euro Umsatz die kleinste Sparte von Siemens Healthineers, mit einer operativen Umsatzrendite von fast 20 Prozent ist das Geschäft aber hochprofitabel. "Zusammen mit unserem starken Portfolio in der Bildgebung, Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz schaffen wir erhebliche Synergien, um Therapieergebnisse zu verbessern", sagte Montag.

PHILIPS ZWEITGRÖSSTER AKTIONÄR VON CORINDUS

Aufsichtsratschef und Siemens-Vorstand Michael Sen erklärte auf Twitter, Corindus passe "perfekt" in die Strategie. Der Großaktionär finanziert die Übernahme mit einem Kredit. In Siemens-Kreisen hieß es, der Münchner Konzern unterstütze diesen "mutigen Schritt", wolle aber auch messbare Ergebnisse sehen. Bei der Einführung eines neuen Labordiagnostik-Systems kämpft Healthineers derzeit mit großen Anlaufschwierigkeiten. Siemens hatte Healthineers an die Börse gebracht, damit die Tochter teure Übernahmen künftig auch aus eigener Kraft stemmen kann.

Mit 4,28 Dollar je Corindus-Aktie zahlt Healthineers einen Aufschlag von 77 Prozent auf den Schlusskurs vom Mittwoch. Corindus teilte mit, der Vorstand habe der Übernahme zugestimmt. Die Transaktion sei für die Aktionäre wertsteigernd und bringe den Kunden Vorteile, erklärte Vorstandschef Mark Toland.

Der zweitgrößte Corindus-Aktionär ist ein alter Bekannter: Der niederländische Medizintechnik-Konzern Philips, der mit Siemens bei Röntgengeräten und Magnetresonanztomographen (MRT) konkurriert, hält 12,8 Prozent. Dass Philips Healthineers bei der Übernahme in die Parade fahren könnte, glaube er nicht, sagte Schmitz. Ein Philips-Sprecher sagte, der Konzern prüfe die Ankündigung von Healthineers. Die Niederländer hatten selbst vor vier Jahren 1,2 Milliarden Dollar für die US-Firma Volcano gezahlt, ebenfalls ein Spezialist für minimalinvasive Eingriffe.

rtr