Höhere Prognosen haben gerade Seltenheitswert. Der Medizintechnikkonzern Siemens Healthineers lieferte soeben bereits die zweite Erhöhung seines Jahresausblicks. Die Erlanger profitieren von der Sonderkonjunktur bei Schnelltests, einem Feld, das es im Konzern erst seit rund zwei Jahren gibt. 1,3 Milliarden Euro Umsatz wird der Verkauf von Covid- Tests 2022 einbringen, nachdem die Prognose hier zuvor bei vergleichsweise moderaten 700 Millionen Euro gelegen hatte.

Im Pandemiejahr 2020 hatten die Erlanger, die seit 2018 an der Börse notieren, mit dem Einstieg ins Schnelltestgeschäft einen Volltreffer gelandet und zugleich demonstriert, dass Selbstständigkeit große Vorteile bringen kann. Chef Bernd Montag war sich unlängst im Interview mit dieser Zeitung "nicht sicher", ob der rasche Launch der Tests möglich gewesen wäre, wenn man noch eine Sparte des Hauptaktionärs Siemens wäre. So hält die Mutter weiter 75 Prozent und profitiert, wie alle Aktionäre, von den unabhängigen Entscheidungen der Tochter.

Dazu zählt auch die stärkere Deglobalisierung von Teilebezug und Herstellung, etwa bei der Produktion von Computertomografen oder anderen medizinischen Geräten. Denn was Logistikkonzernen wie der Deutschen Post in die Karten spielt, wird für Hersteller zum Belastungsfaktor: steigende Transportkosten. Montag hatte so eine zweite, weniger positive Botschaft für Anleger: Die Beschaffungs- und Logistikkosten steigen mehr oder weniger in allen Bereichen und lasten tendenziell auf den Margen.

Teil der Lösung: Für die Herstellung etwa in China bezieht das Unternehmen zunehmend mehr Teile aus dem Land selbst, zumal auch die politischen Unsicherheiten im wichtigen Absatzmarkt steigen. "Wir wollen nicht im Rest der Welt davon abhängen, was in China passiert", sagte Montag. Derzeit bestelle man überdies wegen der angespannten Lieferketten manche Elektronikkomponenten am Spotmarkt zu "extrem ungewöhnlichen Preisen". Zumindest Teile der derzeitigen Kosteninflation dürften sich laut Montag aber auf Sicht wieder auflösen. Und eigene Preiserhöhungen kämen mit etwas Zeitverzug zum Tragen.

Freundliches Bild

Es sind leichte Schatten in einer hellen Gesamtlage. Denn der Umsatz stieg im zweiten Geschäftsquartal um starke 16 Prozent, die operative Gewinnmarge lag mit 17,9 Prozent über dem Vorjahr. Auch im dritten Quartal verzeichne man positive Wachstumsdynamik, sagte Finanzchef Jochen Schmitz. Die größte Akquisition der Firmengeschichte, der US-Krebsspezialist Varian, den Healthineers 2020 für rund 16 Milliarden Dollar übernommen hatte, steuerte über 700 Millionen Euro zum operativen Gewinn bei.

Die Margen von Varian bleiben demnach im restlichen Geschäftsjahr bis Ende September im Aufwind. Das gilt für alle anderen Bereiche wie die größte Sparte Imaging, die bildgebende Geräte herstellt. Einzige Ausnahme: die Diagnostiksparte, denn das Testgeschäft schwäche sich bald stark ab.

Im Geschäftsjahr werde jetzt insgesamt ein Umsatzplus zwischen 5,5 und 7,5 Prozent angepeilt, bislang waren es drei bis fünf Prozent. Das Ergebnis pro Aktie soll mit 2,25 bis 2,35 Euro im Mittel 0,16 Euro über der alten Prognose liegen.

Stabilität: Die Aktie ist im Bereich um 50 Euro gut unterstützt. Mutige setzen jetzt auf die Trendumkehr. Langfristaktie.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 65,00 Euro
Stoppkurs: 38,00 Euro