Volle Fahrt voraus: Momentan laufen Nebenwerte besser als der DAX. Warum das so ist und welche Titel auf der Einkaufsliste ganz vorne stehen sollten. Von Tobias Schorr

Wieder einmal sind es die Kleinen, die die Großen in den Schatten stellen. Nicht nur symbolisch, sondern ganz real ist die Performance dieser Unternehmen an der Börse besser. Und zwar sowohl in einem sehr kurzen, als auch in einem längeren Betrachtungszeitraum. Seit Jahresbeginn legte etwa der SDAX, in dem die sogenann­ ten Small Caps vertreten sind, um zwei Pro­zentpunkte stärker zu als der Deutsche Leitindex DAX. Betrachtet man den Zeit­raum seit 2010 wird die Outperformance noch deutlicher sichtbar: Hier kommen die kleineren Firmen auf ein Plus von insge­samt rund 180 Prozent, das vermeintliche Who’s who der deutschen Börsenland­schaft schaffte es lediglich auf 120 Prozent. Doch was macht sie so erfolgreich? Häufig sind sie flexibler und wendiger als die gro­ ßen Dickschiffe. Sie sind in Nischen aktiv, die sich für die großen Konzerne nicht loh­nen. Zudem sind sie häufig wachstums­stärker, und läuft es gut, haben sie auch bei der Profitabilität die Nase vorn. 

Sicher: In einem Abschwung halten sich Investoren eher fern, weil so mancher Firma die finan­zielle Kraft fehlt, um eine längere Durst­strecke zu überbrücken. Und kleinere Fir­men sind meist auch deutlich volatiler, also schwankungsanfälliger, zweistellige Kurs­gewinne innerhalb kurzer Zeit sind eher die Regel als eine große Ausnahme. Deswe­gen braucht es etwas Erfahrung bei der An­lage. Das sogenannte Stockpicking hat eine besonders große Bedeutung.

Weil die Börsen aktuell Fahrt auf­nehmen, rücken die Mittelständler wie­ der stärker in den Fokus. BÖRSE ONLINE hat deswegen die Datenbank durchfors­tet und diejenigen herausgesucht, die in ihrer Nische führend sind, die aktuell ein starkes Momentum haben, und vor allem solche Titel herausgepickt, die schon seit Längerem auf der Watchlist stehen. Es sind solche, die teils stark gefallen sind, deren Aussicht aber so gut ist, dass sie mittelfristig wieder neue Höchststände erreichen können.

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Die besten deutschen Nebenwerte

Knaus Tabbert: Pralle Auftragsbücher sorgen für Schub

Weiter nach oben gehen könnte es mit dem Hersteller von Reisemobilen Knaus Tabbert: Auf einer Investmentveranstal­ tung habe sich das Management recht zuversichtlich geäußert, ist von einem Fondsmanager zu hören. Die Probleme mit mangelnder Verfügbarkeit von motorisierten Chassis haben sich aufgelöst. Das Unternehmen habe bekundet, das Um­satzziel von mehr als einer Milliarde Euro erreicht zu haben. Das entspräche einem Umsatzwachstum von mehr als einem Drittel im vierten Quartal. Damit scheintnun die Talsohle durchschritten zu sein.

Es könnte fortan wieder nach oben ge­hen. Davon dürfte auch die Aktie profi­tieren. Sie notiert bei rund der Hälfte der historischen Bestwerte, während das Un­ternehmen für 2023 wohl operativ auf neue Rekordwerte zusteuern könnte. Das Jahr hat das Unternehmen mit einem Auf­tragsbestand von 1,6 Milliarden Euro be­gonnen. Es ist davon auszugehen, dass der Umsatz weit über Vorjahr liegen wird. Gleichzeitig sollte die operative Marge auf Basis des Gewinns vor Zinsen und Steuern Richtung sechs Prozent ansteigen können. Deswegen sollte der aktuelle Kursanstieg kein Strohfeuer sein. Der Titel hat eine Menge Potenzial nach oben.

Knaus Tabbert

Jenoptik: Auf dem Weg zu alter Stärke

Stark läuft es beim Optoelektronikkon­zern Jenoptik momentan vor allem in der Halbleitersparte: Hier entwickelt das Un­ternehmen optische Systeme, Mikroopti­ken und High­-End­-Objektive. Mit Letzte­ren lassen sich etwa Halbleiterstrukturen exakt und zuverlässig inspizieren. Bis Mitte 2023 oder sogar noch darüber hi­naus ist das SDAX­Unternehmen hiervoll ausgebucht. Margenschwächere Ge­schäfte wurden zuletzt verkauft. Die Er­gebnisse für das vierte Quartal sollten gut ausfallen. Auch der Aktienkurs hat mitt­lerweile den Vorwärtsgang eingelegt. Mit­ telfristig sollten die alten Höchststände um 35 Euro übertroffen werden.

Jenoptik

Aumann: Starkes Orderbuch, solide Bilanz

Der Wandel hin zu mehr Elektromobilität trifft einige Automobilzulieferer hart. Bei Aumann ist das Gegenteil der Fall: Der Automobilzulieferer stellt Fertigungslinien und Spezialmaschinen für Komponenten von elektrischen Antriebssträngen her. Und doch kam der Titel stark unter die Räder: Vom Hoch im Winter 2018 bei 71,50 Euro ging es bis unter sieben Euro im März 2020. Seitdem schwankt der Titel hin und her, gewann zuletzt jedoch wie­ der an Fahrt. Dafür sorgten zuletzt auch die Zahlen zum dritten Quartal: In den ersten neun Monaten kletterte der Um­satz um mehr als ein Drittel auf 150 Mil­lionen Euro. Vor Zinsen, Steuern und Ab­schreibungen blieben 5,5 Millionen Euro hängen. Vor allem im Segment E­-Mobility läuft es rund: Im November lag der Auf­tragsbestand bei 243 Millionen Euro – rund 50 Prozent höher als im Vorjahres­zeitraum. Auch bilanziell ist das Unter­nehmen mit einer Eigenkapitalquote von 64 Prozent solide finanziert. Aktuell wird Aumann nicht einmal mit dem einfachen Jahresumsatz bewertet. Allerdings ist die Gewinnmarge auch recht gering. Doch ist der Zulieferer ein Gewinner der Energie­ wende. Auch bei Analysten steht der Titel momentan hoch im Kurs: Hauck & Auf­häuser sieht das Kursziel bei 19 Euro. Die Analysten der Citi sind noch etwas opti­mistischer und legen einen Euro drauf. BÖRSE ONLINE ist ebenfalls positiv ge­stimmt und geht davon aus, dass der Trend anhält und auch das vierte Quartal gut gelaufen ist. Der Aktienkurs hat eini­ ges aufzuholen und sollte weiter klettern.

Aumann

Eckert & Ziegler: Mit kräftigem Schwung zum Zwischenhoch

Etwas besser als zuletzt gedacht lief das Jahr 2022 für den Strahlen­ und Medizin­technikkonzern Eckert & Ziegler. Nach­dem er im Juli vergangenen Jahres das Ziel für den Jahresüberschuss um rund 30 Prozent auf 27 Millionen reduzieren musste, erreichte das Unternehmen nach vorläufigen Jahreszahlen nahezu 30 Milli­onen Euro. Der SDAX­-Titel gehört zu den weltweit größten Herstellern von radioak­tiven Komponenten für medizinische, wis­senschaftliche und messtechnische Zwe­cke. Im Mittelpunkt steht die Krebsthera­pie. Vor allem große Pharmakonzerne wie Novartis oder Bayer sind an den radio­pharmazeutischen Ansätzen der Berliner interessiert. Hier steht man noch am An­fang der Entwicklung, die zu einem gro­ßen Markt reifen könnte. Von diesem könnte das Unternehmen dann ein gutes Stück abbekommen. Und der Aktienkurs könnte folgen: Nachdem der Titel seit An­fang 2021 kräftig angestiegen war, hat er danach einen Gutteil wieder abgegeben, weil hoch bewertete Technologieaktien nicht mehr gefragt waren. Das ändert sich jedoch aktuell. Investoren sind wieder be­reit, ins Risiko zu gehen und für Firmen, die in ihrer Nische führend sind, höhere Preise zu bezahlen. Am Aktienkurs von Eckert & Ziegler ist das abzulesen: Die Notiz zieht wieder an. Seit dem Sommer­tief bei etwas mehr als 30 Euro ging es bereits um rund drei Viertel bergauf. Mu­tige Anleger, die etwas Geduld mitbrin­gen, setzen darauf, dass der starke opera­tive Trend anhält. Der Titel könnte dann auch mittelfristig wieder die Marke von 100 Euro überspringen. Das wären vom aktuellen Kursniveau rund 90 Prozent.

Eckert & Ziegler

Süss Microtec: Aktienkurs weiterhin in Fahrt

Der Aktienkurs von Süss Microtec hat einen Lauf: Innerhalb von drei Monaten legte er um rund 70 Prozent zu. Und doch ist noch Luft nach oben: Weiterhin sind die Auftragseingänge beim Ausrüster für die Chipindustrie hoch. Gut möglich, dass das Mittelfristziel für 2025, mit einem ge­planten Umsatz von 400 Millionen Euro und einer Margen vor Zinsen und Steuern von 15 Prozent, übertroffen wird. Wegen der starken Nachfrage und der hohen Förderung investiert die Branche riesige Summen in neue Fabriken. Die Wahr­scheinlichkeit, dass dann Maschinen von Süss Microtec gebraucht werden, ist sehr hoch: Sie geben etwa nackten Wafern eine Struktur, backen sozusagen die Waf­felstruktur, aus der dann der einzelne Chip entnommen wird. Zudem sorgen sie dafür, dass Fotolithografiemasken, die etwa der niederländische Hersteller ASML herstellt, gereinigt werden. Der Marktan­teil der Bayern liegt hier bei mehr als 80 Prozent. BÖRSE ONLINE hatte den Titel zuletzt mehrfach empfohlen. Wir ziehen den Stoppkurs nach und erhöhen das Ziel.

Süss Microtec

Dieser Artikel erschien zuerst in BÖRSE ONLINE 05/2023. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft.