Das Geschäft mit Unternehmenskäufen (M & A) boomt derzeit wie seit Jahren nicht mehr. Seit Jahresbeginn wurden Fusionen und Übernahmen im Volumen von mehr als 1,1 Billionen Dollar angekündigt. Das entspricht einem Zuwachs gegenüber dem Vorjahr um mehr als ein Drittel und ist der höchste Wert seit dem Beginn der Finanzkrise 2007. Das zeigt eine Erhebung des britischen Datendienstleisters Dealogic zum Stichtag 30. April. Den bislang höchsten Gesamtwert erreichten die M & A-Aktivitäten im Jahr 2007 mit einem Volumen von 4,6 Billionen Dollar. Im vergangenen Jahr lag das Übernahmevolumen bei 2,9 Billionen Dollar.

Indikator für Zuversicht

Der Boom lässt nicht nur die Aktien der Zielunternehmen mit teilweise satten zweistelligen Raten nach oben schnellen, sondern hebt auch die Stimmung am Gesamtmarkt. Börsianer hoffen, dass durch die Zusammenschlüsse andere Konkurrenten unter Zugzwang geraten und ebenfalls mit Zukäufen reagieren. Auch gelten verstärkte Übernahmen als Indikator für wachsendes Vertrauen in eine positive wirtschaftliche Gesamtentwicklung.

Die M & A-Aktivitäten haben sich um Ostern herum noch beschleunigt. Zudem zeichnen sich auch neue Trends ab. So liegt das durchschnittliche Transaktionsvolumen in diesem Jahr um fast zwei Drittel über den Vorjahren, während die Anzahl der Deals zurückgeht. Die Megabeispiele der vergangenen Tage scheinen den Trend zu bestätigen. Der US-Mobilfunkanbieter Sprint treibt gerade die 50 Milliarden Dollar schwere Übernahme der Telekom-US-Tochter T-Mobile US voran. Der US-Pharmakonzern Pfizer will für den Konkurrenten Astra-Zeneca über 100 Milliarden Dollar auf den Tisch legen. Und der amerikanische Telekomriese AT & T bietet 40 Milliarden für den Pay-TV-Anbieter DirecTV.

Charakteristisch für die neue Übernahmewelle ist auch, dass sie nicht nur von ein oder zwei Sektoren getrieben wird wie früher, sondern auf breiter Front erfolgt: Telekom- und Internetunternehmen sind eben- so vertreten wie Pharma- und Biotechkonzerne. Mit Alstom, GE und Siemens spielen inzwischen auch globale Industriemultis mit.

MDAX rückt ins Blickfeld

Auf der Finanzierungsseite liegen die Ursa chen für den Merger-Boom auf der Hand: Viele Unternehmen sitzen auf hoher Liquidität. Die gute Verfassung der Aktienmärkte ermöglicht es zudem branchenübergreifend, Aktien als Übernahmewährung einzusetzen. Anders als früher treten deshalb die Unternehmen auch wieder verstärkt selbst als Käufer in Erscheinung, weniger die Private-Equity-Firmen. Dabei achten die Konzerne stärker als in früheren Boomphasen darauf, dass die Zukäufe strategisch passen und sich finanziell rechnen.

Deutschland ist von der großen Fusionswelle bislang noch wenig - erfasst worden - wenn man einmal von Siemens im Bieterkampf um -Alstom absieht oder von Bayer, die kurz vor der Übernahme einer Arzneisparte des US-Pharmariesen Merck stehen. Hierzulande gelten Unternehmen vor allem aus dem MDAX als potenzielle Übernahmeziele. Dazu zählt nach einer Auswertung von Goldman Sachs der Bezahlsender Sky Deutschland. Hauptaktionär ist der Medienkonzern 21st Century Fox des US-Unternehmers Rupert Murdoch, der mittlerweile knapp 55 Prozent der Anteile hält und seine Beteiligung weiter aufstocken könnte. Weitere po-tenzielle Ziele könnten das Telekomunternehmen Vodafone und der britische Versorger Drax Group sein.

Warnung vor einer Korrektur

Paras Anand, Aktienchef Europa beim Vermögensverwalter Fidelity Worldwide, rechnet damit, dass der M & A-Auftrieb die Aktienkurse auch mittelfristig stützen wird. "Große Standardwerte, die seit Längerem schwächer abschneiden als die kleineren und mittleren Werte, könnten wieder stärker ins Visier der Anleger rücken", so Anand.

Zu einem ähnlichen Befund kommt die DZ Bank, die eine weitere Belebung des Übernahmemarkts erwartet. Chefanlagestratege Christian Kahler rät Anlegern allerdings auch zu einer gewissen Vorsicht vor einer Korrektur des Gesamtmarkts, "da M & A-Aktivitäten üblicherweise am Ende einer Börsenhausse ihren Höhepunkt finden".