Ein Verdoppler mit einer Staatsanleihe? Was in den aktuellen Niedrig- und Negativzinszeiten absurd klingen mag, haben Investoren mit einem Schuldtitel der Republik Österreich binnen zwei Jahren geschafft. Im September 2017 emittierte das Nachbarland eine Staatsanleihe, die 100 Jahre laufen, also im Jahr 2117 zurückgezahlt werden soll. Seit Mitte August notiert das Papier meist bei Kursen über 200 Prozent des Nennwerts. Dass Österreich am 20. September auch wieder den jährlichen Zins in Höhe von 2,1 Prozent überweist, fällt da schon kaum mehr ins Gewicht. Der 100-jährige Austrobond ist ein Extrembeispiel für die Entwicklungen am Rentenmarkt, die Investmentstrategen zunehmend skeptisch beäugen. Die Chance auf weitere Kursgewinne scheint gering, die Gefahr eines Rückschlags groß - bei Anleihen mit langer Restlaufzeit könnte dieser durchaus schmerzhaft ausfallen.

Maßnahmenpaket der Notenbank


In die Höhe getrieben hat die Anleihenotierungen in den vergangenen Monaten nicht zuletzt die Europäische Zen­tralbank (EZB). Deren Chef Mario Draghi nutzte die alljährliche Notenbankkonferenz im portugiesischen Sintra im Juni für die Botschaft, die EZB stehe angesichts trüber Konjunkturaussichten bereit, die Geldpolitik weiter zu lockern. Seither haben die Notenbanker die Hoffnungen weiter angeheizt. Die Marktteilnehmer überbieten sich in ihren Erwartungen. Dass die EZB bei der Sitzung am 12. September ein großes Maßnahmenpaket verkündet, gilt als ausgemacht. Doch Draghi könnte es schwerfallen, die Hoffnungen zu erfüllen. Dies birgt Enttäuschungspotenzial.

Klar scheint, dass die Notenbank den Einlagesatz, den Banken für EZB-Gut­haben zahlen müssen, um 0,1 Prozentpunkte auf minus 0,5 Prozent senkt. Einige hoffen hier gleich auf einen größeren Schritt. Zudem wird über eine Senkung des Leitzinses von null auf minus 0,1 Prozent spekuliert. Und alles andere als die Neuauflage eines Anleihekaufprogramms wäre eine große und böse Überraschung. Analysten rechnen dafür mit einem Volumen von 30 Milliarden Euro pro Monat, einige spekulieren auch auf 40 Milliarden Euro monatlich.

Neuauflage der Anleihekäufe


Weil die EZB nicht unbegrenzt Staatsanleihen kaufen kann, ohne sich dem Vorwurf verbotener Staatsfinanzierung auszusetzen, gibt es Spekulationen über eine Ausweitung auf andere Assetklassen. Außer Staatsanleihen stehen auf der Kaufliste bereits Unternehmens­anleihen, Pfandbriefe und Asset Backed Securities. Bankanleihen erwirbt die EZB bisher nicht. Das dürfte so bleiben, schließlich ist die Notenbank für Bankenaufsicht zuständig und will Inter­essenkonflikte vermeiden. Spekuliert wird aber rege über den Kauf von Aktien nach Vorbild der Schweizer Nationalbank und der Bank of Japan.

Die Überlegung, wegen des Kaufprogramms nun auf weiter stark steigende Anleihekurse zu setzen, liegt nahe. Ein Blick auf die Erfahrungen bei bisherigen EZB-Programmen mahnt allerdings zur Vorsicht - bei deren Start sind die Kurse nämlich gesunken. Investoren hatten die Entwicklungen schlicht vorweg­genommen und dann Kasse gemacht. Anleger, die sich selten mit Anleihen beschäftigen und von den schlagzeilenträchtigen Kursgewinnen fasziniert sind, sollten sich zudem den Zusammenhang von Kurs, Rendite und Ertrag bei Bondinvestments klarmachen.

Gefahr von Kursverlusten


Der große Ertrag eines Investors, der die 100-jährige Österreich-Anleihe kurz nach Emission gekauft und nun verkauft hat, ergibt sich aus viel Kursgewinn und etwas Zins. Auch beim Verkauf vor dem Zinstermin hat er vom Käufer auf den Tag genau den anteiligen Zins erhalten. Angesichts des hohen Kaufkurses ist die für den neuen Besitzer mögliche Rendite, wenn er und seine Erben das Papier bis zur Fälligkeit in 98 Jahren halten, mit 0,7 Prozent gering. Er hat für 200 Prozent gekauft, es gibt nur 100 Prozent des Nennwerts zurück. Immerhin zahlt Österreich 2,1 Prozent Zins pro Jahr, eine Staatspleite ist auf absehbare Zeit unwahrscheinlich. Die Gefahr geht vielmehr von Kursschwankungen aus, wenn sich das Marktumfeld ändert und Anleihen mit ihren festgelegten Konditionen wie der Zinshöhe nicht mehr so gefragt sind.

Je länger ein Bond noch läuft, desto stärker ist er betroffen. Als Faustregel gilt: Restlaufzeit mal Renditeänderung ergibt Kursänderung - für eine zehnjährige Bundesanleihe bringt ein Anstieg des allgemeinen Renditeniveaus um 0,5 Prozentpunkte einen Kursverlust von fünf Prozent. Wer den österreichischen Langläufer jetzt kaufen will, sollte den Verlust bei kleinen Änderungen des Renditeniveaus vorher mal abschätzen.

Die mit zehnjährigen Bundesanleihen beim Kauf mögliche Rendite bis Fälligkeit ist am Dienstag aufs Allzeittief von minus 0,743 Prozent per annum gesunken. Die risikolose Anleihe des ­deutschen Staates gilt als Maßstab am Kapitalmarkt, nach dem sich die Renditen anderer Wertpapiere je nach Risiko richten.

Fokus auf die Konjunktur


Viele Analysten rechnen in den kommenden Monaten mit steigenden Renditen. Die LBBW etwa prognostiziert für Ende 2019 bei der zehnjährigen Bundesanleihe eine Rendite von minus 0,6 und für Mitte 2020 minus 0,4 Prozent. Beim Vermögensverwalter Bantleon erwartet man, dass die Rendite bis Mitte 2020 wieder die Marke von null Prozent erreicht. Dies liegt an einer vergleichsweise optimistischen Einschätzung zur Konjunkturentwicklung der Eurozone.

Die Bantleon-Ökonomen verweisen darauf, dass die Rendite der zehnjäh­rigen Bundesanleihe im Gleichlauf mit den Ifo-Geschäftserwartungen der Unternehmen gesunken ist. Sie gehen davon aus, dass die Trendwende bei den Stimmungsindikatoren bevorsteht und damit auch die Rendite wieder steigt.

Vielleicht wird diese Einschätzung in den Unternehmen geteilt. Im üblicherweise ruhigen Monat August haben sich ungewöhnlich viele Firmen zu für sie äußerst günstigen Konditionen frisches Kapital mit Anleihen besorgt. Mehrere Bonds, etwa die fünfjährigen Papiere von Eon und Siemens, bieten null Prozent Zinsen. Weil sie zu Preisen über dem Nennwert emittiert wurden, nehmen Investoren eine rechnerische Negativrendite in Kauf, wenn sie die Papiere bis Fälligkeit halten - und nicht auf einen Kursgewinn spekulieren.

Investor-Info

Anleiheindizes
Stark gestiegen


Mit Staatsanleihen unterschiedlicher Lauf­zeiten von Euroländern konnten Anleger seit Jahresanfang einen Ertrag aus Kursgewinnen und Kupons von über zehn Prozent einfahren. Mit Unternehmensanleihen waren gut neun Prozent Rendite drin und mit Pfandbriefen rund acht Prozent. Weiterhin vergleichbare Erträge zu erzielen dürfte kaum möglich sein.

Bantleon Yield Plus
Konservativer Anleihemix


Der Fonds investiert in Anleihen guter Bonität und mischt Bonds mit schlechterer Note bei, das Rating liegt im Schnitt bei "A+". Staats­anleihen der Eurozone haben zurzeit einen Anteil von 47 Prozent, andere Staatsanleihen kommen auf acht Prozent. Auf Pfandbriefe entfallen 23, auf Unternehmensanleihen 20 Prozent. Binnen fünf Jahren gab es im Schnitt eine Rendite von rund zwei Prozent per annum.

Robeco Eur. High Yield Bonds
Hochzinsanleihen im Paket


Der Fonds investiert in Anleihen mit Non-­Investment-Grade, die von Unternehmen vor allem aus Europa und den USA emittiert wurden. Das durchschnittliche Rating liegt bei "BB". Währungsrisiken werden gemieden. Hochzinsbonds zeichnen sich durch kürzere Laufzeiten aus, von Änderungen des Rendite­niveaus sind sie weniger betroffen. Stellen sich die Konjunktursorgen als überzogen heraus, profitieren risikoreichere Assetklassen davon.