Manchmal wirkt er erschöpft, verliert den Faden und verwechselt Libyen mit Syrien. Doch das schmälert seine politische Leistung nicht. In den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit korrigierte US-Präsident Joe Biden zahlreiche Maßnahmen seines Vorgängers Donald Trump per "executive order" und brachte viel Neues auf den Weg. Und er hat noch Großes vor.

Handwerkliche Fehler sind ihm nicht unterlaufen. Das bringt ihm stabile Umfragewerte von 52 Prozent ein. Trump kam in seinen besten Zeiten lediglich auf 45 Prozent. Auch die Anleger sind - trotz der Ankündigung höherer Unternehmen- und Kapitalertragsteuern - zufrieden. Der S & P 500 erzielte innerhalb eines halben Jahres ein Plus von 15 Prozent und erreichte vor Kurzem einen neuen Rekordwert. Weitere Kursgewinne sind drin. Denn Biden nimmt viel Geld in die Hand.

1.400 Dollar aufs Konto

Seine bisherige Bilanz: Die USA sind zur Weltgesundheitsorganisation WHO und zum Pariser Klimaabkommen zurückgekehrt. Das Verhältnis zu den Industriestaaten und NATO-Partnern hat sich entspannt. Washington gilt wieder als verlässlicher Partner. Das ermutigt ausländische Investoren zum Engagement. Zudem sind 49 Prozent der US- Bürger vollständig geimpft.

Was Anlegern aber vor allem gefällt: Bidens 1,9 Billionen Dollar schwerer "American Rescue Plan" wirkt. US-Bürger mit einem Jahreseinkommen unter 75.000 Dollar erhielten Direktzahlungen in Höhe von jeweils 1.400 Dollar. Der Rettungsplan enthält zudem eine Erhöhung der Arbeitslosenhilfe.

Die staatlichen Mittel schieben die Wirtschaft stärker an als erwartet. Der IWF korrigierte jüngst seine Prognose nach oben. Statt 4,6 Prozent wird im laufenden Jahr nun eine Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Leistung von sieben Prozent erwartet. Es wäre der größte Zuwachs seit fast 40 Jahren.

Der Aufschwung belebt den Arbeitsmarkt. Seit Bidens Amtsantritt wurden drei Millionen Jobs geschaffen. Kein anderer Präsident vor ihm hat in so kurzer Zeit für mehr Beschäftigung gesorgt. Die Arbeitslosenrate beträgt 5,9 Prozent. Vor einem Jahr waren es noch über elf Prozent.

Erhebliche Mängel

Ebenso ambitioniert wie der "American Rescue Plan" fällt Bidens "American Jobs Plan" aus. Er soll die Infrastruktur der USA verbessern, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen steigern und noch mehr neue Arbeitsplätze schaffen. Das Vorhaben ist aber noch nicht in trockenen Tüchern, es bedarf der Zustimmung durch den Kongress. Zwar hat sich eine Arbeitsgruppe aus Demokraten und Republikanern Ende Juni darauf verständigt, in den kommenden acht Jahren eine Billion Dollar in die Modernisierung von Brücken, Straßen, Flug- und Seehäfen, Wasserleitungen, Transportsystemen, Strom- und Telekommunikationsnetzen sowie in erneuerbare Energien zu stecken.

Doch in beiden Parteien regt sich noch Widerstand. Linke Demokraten wollen nur dann zustimmen, wenn gleichzeitig über drei Billionen Dollar in "menschliche Infrastruktur" investiert werden, unter anderem in Bildung und medizinische Versorgung. Das aber geht einer Reihe von republikanischen Politikern zu weit.

Nun beginnt in Washington das Ringen um eine Kompromisslösung. Wie viel letztendlich investiert wird, ist noch nicht klar. Dass aber erhebliche Mittel in die physische Infrastruktur fließen werden, daran zweifeln Anleger nicht. Der Handlungsbedarf ist enorm. Das Weiße Haus zählt auf seiner Website die vielen Mängel auf: 45.000 Brücken und 173.000 Straßenmeilen sind in einem schlechten Zustand. Sechs bis zehn Millionen US-Bürger werden mit Wasser versorgt, das durch veraltete Leitungen fließt. Das birgt erhebliche Gefahren für die Gesundheit. 35 Prozent der Haushalte auf dem Land haben noch keinen Zugang zum Internet. Auch die US-Flughäfen bedürfen der Erneuerung. Sie sind im Schnitt 40 Jahre alt.

Biden glaubt an eine Mehrheit für seine Infrastruktur-Vorhaben: "We are going to get this done" - wir schaffen das, sagt er. Es klingt überzeugend. Schließlich weiß Biden, wie in Washington Politik gemacht wird. Von 1978 bis zum Jahr 2009 war er Senator von Delaware und von 2009 bis 2017 Vizepräsident von Barack Obama.

Bidens Versprechen und seine politische Erfahrung motivieren zum Einstieg in Aktien, ETFs oder Fonds, die vom Modernisierungswillen des 46. Präsidenten der USA besonders profitieren können (siehe Investor-Info). Ein Beispiel ist das Unternehmen Vulcan Materials. Der Konzern aus dem Bundesstaat Alabama zählt zu den größten Baustoffherstellern in den Staaten. Innerhalb eines Monats legte die Aktie um vier Prozent zu.

Auch American Water Works gilt als aussichtsreich. Der größte private Wasserversorger verfügt über die technologischen Möglichkeiten, die von den Kommunen organisierte Wasserversorgung zu optimieren beziehungsweise ganz zu übernehmen. Auf Sicht von drei Monaten legte der Titel um über sechs Prozent zu.

Chancen eröffnen sich auch für Crown Castle International. Das Unternehmen betreibt Mobilfunkmasten und Glasfasernetze. In den vergangenen drei Monaten stieg die Aktie um 14 Prozent. Crown Castle International zählt zu den Top-Ten-Werten des iShares Global Infrastructure ETF. Im Portfolio des aktiv gemanagten DWS Global Infrastructure ist die Aktie des Unternehmens sogar mit neun Prozent gewichtet.

Lohn-Preis-Spirale

Den Chancen der Biden-Initiativen stehen aber auch Risiken gegenüber. Eine Überhitzung der Konjunktur und ein Anstieg der Inflation sind nicht auszuschließen. Im Juni betrug die Teuerungsrate im Vergleich zum Vorjahresmonat schon 5,4 Prozent. Das ist der höchste Wert seit 13 Jahren. Die Preise ziehen wohl weiter an. Arbeitskräfte werden knapp.

Die US-Notenbank Fed will vorerst nicht darauf reagieren. Der Anstieg sei nur temporär, beruhigt ihr Chef Jerome Powell. Doch innerhalb der US-Notenbank wächst die Zahl der Befürworter einer Straffung der Geldpolitik schon im kommenden Jahr. Setzen sie sich durch, drohen kräftige Korrekturen, die auch an Infrastruktur-Titeln nicht spurlos vorbeigehen dürften. Volle Auftragsbücher sollten dann aber für eine schnelle Erholung sorgen.
 




INVESTOR-INFO

iShares Gl. Infrastructure

Noch günstig

Der mit FondsNote 1 beurteilte ETF gewichtet US-Infrastrukturwerte wie American Water Works und Crown Castle International mit 63 Prozent. Die restlichen Mittel sind in kanadischen, europäischen und japanischen Unternehmen investiert. Insgesamt umfasst der ETF 237 Positionen. Diese sind im Vergleich zu S & P-500-Aktien günstiger bewertet. Seit Jahresanfang erzielte der ETF knapp zehn Prozent. Langfristig aussichtsreich.

DWS Global Infrastructure

Rendite-Turm im Portfolio

Manager Monoj Patel investiert in Unternehmen aus den Bereichen Transport, Energie, Kommunikation und Wasser. US-Aktien sind mit 49 Prozent gewichtet. Unter den Top Ten finden sich unter anderem American Tower Reit. Der Real Investment Trust vermietet Funktürme an Telekommunikationsunternehmen. Hoch gewichtet ist auch der Stromversorger National Grid. Im laufenden Jahr erzielte der Fonds über 16, auf Sicht von drei Jahren 27 Prozent.

HSBC MSCI USA

US-Baustein für das Depot

Der ETF bildet die Wertentwicklung des MSCI USA ab. Der Index enthält 627 Unternehmen. Kommunikationsdienstleister sind mit rund elf Prozent gewichtet. Im Index finden sich unter anderem der Baumaschinenhersteller Caterpillar und der Baustoffproduzent Vulcan Materials. Das Papier eignet sich für Investoren, die breit am US-Aufschwung partizipieren wollen. Innerhalb eines Jahres legte der ETF um 32 Prozent zu.