Sie tragen exotische Namen wie Dysprosium, Promethium oder Ytterbium und zählen zu den begehrtesten Rohstoffen der Welt: Als Seltene Erden werden insgesamt 17 Elemente bezeichnet, deren Namen nur die absoluten Brancheninsider annähernd aufsagen können.

Moderne Technologien wären ohne sie jedoch nicht denkbar. Seltene Erden und Technologiemetalle wie Neodym, Gallium oder Germanium sind heute praktisch in jedem Smartphone, Laptop oder Flachbildschirm sowie in jeder Leuchtdiode zu finden und wichtiger Bestandteil von Elektrofahrzeugen oder Windkraftanlagen. Deshalb werden sie zu den strategischen Rohstoffen gezählt, ihre Verfügbarkeit ist gleichbedeutend mit politischer Macht.

Kurzzeitig schien es etwa in diesem Frühjahr so, als würde China im Handelsstreit mit den USA einen seiner Joker ziehen und den Export von Seltenen Erden beschränken. Mehr als 80 Prozent der weltweiten Produktion stammt aus China, die USA deckten zuletzt 78 Prozent ihres Bedarfs mit Lieferungen aus der Volksrepublik ab. "Die Chinesen sind bekanntermaßen vorausschauend und gute Strategen. Sie haben Zug um Zug eine gewisse Marktdominanz erreicht", sagt Matthias Rüth von Tradium. Ein Exportstopp der Chinesen würde nicht nur die amerikanische Technologie-Industrie ins Mark treffen.

Schon einmal hatte China einen solchen Schritt unternommen. Als Folge des Streits um eine Inselgruppe hatte die japanische Marine im Jahr 2010 eine chinesische Schiffsbesatzung festsetzen lassen. Peking reagierte mit dem Beschluss, den Export der Seltenen Erden nach Japan einzuschränken. In kürzester Zeit gingen die Preise durch die Decke. Damals stach die chinesische Trumpfkarte, Kapitän und Besatzung wurden letztlich ohne Anklage freigelassen.

Ob sie dieses Druckmittel noch einmal einsetzen wird, dürfte sich die Führung in Peking aber gut überlegen. Möglicherweise würde China mit einem erneuten Exportstopp die Erschließung von Vorkommen in anderen Ländern provozieren. Erst vor wenigen Wochen hat das US-Handelsministerium "noch nie dagewesene Maßnahmen" angekündigt, um die Versorgung mit diesen Metallen zu sichern. Seltene Erden sind keineswegs so selten, wie ihr Name vermuten lässt (was übrigens auch für Technologiemetalle gilt). Doch entweder sind sie nur in unwirtschaftlichen Konzentrationen zu finden, oder der Aufwand für den Abbau der Erze ist aufgrund geologischer Besonderheiten unverhältnismäßig groß. Zusätzlich kommen die Rohstoffe oftmals in komplexen metallurgischen Verbindungen vor, für deren Trennung es kein Standardverfahren gibt, was die Produktionskosten in die Höhe treibt.

Über den Berg


Zu den wenigen ernst zu nehmenden Produzenten außerhalb Chinas zählt das australische Unternehmen Lynas (WKN: 871 899). Die Gesellschaft verarbeitet das geförderte Material hauptsächlich in Malaysia. Verzögerungen beim Aufbau der Produktion und ein gewaltiger Schuldenberg hatten das Unternehmen zwischenzeitlich an den Rand des Ruins gebracht, das Tal der Tränen scheint jedoch durchschritten. Die Analysten der Schweizer Großbank UBS kalkulieren für Lynas mit einem Umsatzanstieg von 377 Millionen auf 621 Millionen australische Dollar in den kommenden beiden Jahren, der Netto­gewinn soll sich in diesem Zeitraum von 37 Millionen auf 225 Millionen australische Dollar mehr als versechsfachen.

Produktionsstätten außerhalb Chinas wie jene von Lynas dürften in den kommenden Jahren auch ohne eine Eskalation im Handelsstreit spürbar an Bedeutung gewinnen. Das Beratungsunternehmen Hallgarten & Company rechnet damit, dass China wegen der Schließung vieler illegaler Minen 2025 nur noch für rund die Hälfte der weltweiten Produktion verantwortlich sein wird. Da gleichzeitig in den kommenden Jahren der Bedarf an Seltenen Erden für die heimische Elektroautoindustrie weiter steigt, könnte China mittelfristig den Export Seltener Erden komplett einstellen und sogar selbst zum Nettoimporteur werden - mit unabsehbaren Folgen für die Preise.

Die 17 Seltenen Erden beim Namen genannt


Die Bezeichnung Seltene Erden (englisch: rare earth elements) muss aus der Historie heraus verstanden werden: selten, weil man früher davon ausging, dass Metalle dieser Gruppe sehr rar seien. Erden, weil sie in den Anfängen der Verarbeitung nur als Oxide aus bestimmten Mineralien gewonnen wurden. Erden ist die ältere Bezeichnung für Oxide. Man unterscheidet zwischen leichten und schweren Seltenen Erden. Mehr als 95 Prozent der Vorkommen entfallen auf die vier leichten Seltenen Erden Cer, Lanthan, Neodym und Praseodym. Der Anteil der 13 schweren Seltenen Erden Dysprosium, Erbium, Europium, Gadolinium, Holmium, Lutetium, Promethium, Samarium, Scandium, Terbium, Thulium, Ytterbium und Yttrium liegt folglich unter fünf Prozent. Sie sind also in der Tat selten.

Tradium und Metlock: Auch Direktinvestments sind möglich


Von Jens Castner: Strategische Metalle sind indirekt über die Aktien der Produzenten investierbar. Hier wirken sich allerdings nicht nur die Preisschwankungen der Rohstoffe selbst auf die Kurse aus, sondern auch die allgemeine Marktstimmung. Deshalb gibt es wie beim Gold Anleger, die Direktinvestments bevorzugen, um sich unabhängiger von den Launen der Börse zu machen. "Unsere Kunden sind nicht affin für Aktien und avers gegen Banken", erklärt Mat­thias Rüth, Gründer und Geschäftsführer des auf strategische Rohstoffe spezialisierten Handelshauses Tradium. Das Frankfurter Unternehmen bezieht Rohstoffe wie Seltene Erden, Indium oder Gallium (hier ist Tradium Produzentenvertreter auf dem europäischen Markt) direkt aus China von den Produzenten und verkauft sie an Industriekunden weiter. Seit etwa zehn Jahren bietet Tradium auch Privatanlegern die Möglichkeit, physisch in ausgesuchte strategische Rohstoffe zu investieren. Die Mindestanlage­summe liegt bei etwa 50 000 Euro (bei kleineren Beträgen arbeitet man mit Vertriebspartnern zusammen). Der große Geldbetrag ist nicht die einzige Hürde, die es zu überwinden gilt. Denn - anders als beim Gold - unterliegen Kauf und Verkauf üblicherweise der Mehrwertsteuer. Hinzu kommt, dass die fachgerechte Lagerung im heimischen Keller schwierig ist und der Hausratversicherung kaum zu vermitteln sein dürfte. Gallium beispielsweise gilt als Gefahrgut, schmilzt bereits bei 29 Grad und oxidiert, wenn es mit Aluminium in Kontakt kommt. Deshalb bietet die Tradium-Schwesterfirma Metlock die Mög­lichkeit, kritische Rohstoffe in einem Zoll­freilager zu verwahren. Damit fällt beim Kauf und nach einem Jahr Haltezeit auch beim Verkauf weder Zoll noch Mehrwertsteuer an, Abgeltung- oder Einkommensteuer ohnehin nicht. Die Einlagerungs_gebühr beträgt rund zwei Prozent pro Jahr (inklusive Versicherung).

Seltene Erden wie Europium und Yttrium haben seit den Höchstpreisen im Jahr 2011 mehr als 90 Prozent verloren. Um­gekehrt können technologische Innovationen den Bedarf so weit steigen lassen, dass die für den Preisverfall mitverantwortlichen Überkapazitäten benötigt ­werden. Timing ist daher das A und O.Mindestanlagehorizont: fünf Jahre.

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