MÜNCHEN (dpa-AFX) - Für die Medienbranche geht es um viel. Für manche Häuser sogar ums Ganze. Von einer kritischen Phase im Medienwandel ist derzeit die Rede angesichts gleich vielfacher Herausforderungen etwa durch Künstliche Intelligenz, globale Plattformriesen und politischen Druck wie in den USA.
Wie im Brennglas bündeln die Münchner Medientage von Mittwoch an (22.10.) all die aktuellen Themen. Zum wohl größten deutschen Branchentreffen dieser Art erwarten die Veranstalter drei Tage lang rund 5.000 Medienschaffende.
"Wir stehen vor einem Herbst der Entscheidungen", sagt Thorsten Schmiege, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), die eine der Hauptträgerinnen der inzwischen 39. Medientage (#MTM25) ist. "Der Zeitpunkt ist daher mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen ein höchst spannender."
Dramatik der Probleme
Wie ernst die Lage ist, formuliert das aktuelle Motto der Konferenz doppeldeutig im Netzjargon: "WTFuture?!". Im andauernden Medienwandel sucht die Branche zwischen einigem Entsetzen und viel Innovation nach Wegen in eine Zukunft.
"Bei allen ist das Bewusstsein gereift, dass sich die Dramatik der Probleme zuspitzt", sagt Konferenz-Chef Stefan Sutor. "Wir haben ja eine ganze Palette an Problemen. Man weiß im Moment gar nicht, wo man anfangen soll."
Vielleicht bei der Bedrohung durch globale Netzplattformen und KI-Riesen? Medienhäuser schlagen brandaktuell Alarm wegen neuer KI-Funktionen etwa in Suchmaschinen und Internet-Browsern. Wie bei Google
Digitalabgabe für Google & Co.
Mit hohen finanziellen Erwartungen blicken Branchenvertreter daher auf die Bundesregierung und besonders Kultur- und Medienstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos): Er kündigte einen Gesetzentwurf zu einer Digitalabgabe für Internet-Plattformen an - Ausgang offen. Weimer wirft den KI-Riesen "geistigen Vampirismus" und "digitalen Kolonialismus" vor, den man nicht länger hinnehmen dürfe.
Auch der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) warnt: "Wenn KI-Antworten den Journalismus verdrängen, verliert die Demokratie ihr Korrektiv." Zudem seien zentrale Fragen nicht geklärt: zu Transparenz, Haftung, Quellenschutz und zur Gefahr der Meinungsmanipulation durch Algorithmen.
Kooperationen statt Konfrontation
Beim Auftakt-Gipfel der Medientage stellen sich Weimer und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den Zukunftsfragen. Zum Vorglühen lädt Söder Branchenvertreter traditionell am Vorabend in die prunkvolle Münchner Residenz ein. Medienpolitik ist im Freistaat schon immer auch Standortpolitik.
Angesichts globaler Herausforderungen hat sich eine andere Konfliktlinie spürbar verschoben: Private Medien und öffentlich-rechtliche Sender wie ARD und ZDF sprechen auch bei den Medientagen über Zusammenarbeit - etwa bei KI-Innovationen und den Chancen, die sich eben auch bieten. "Wir haben sehr viele gute Ansätze für Kooperation von Privaten und Öffentlich-Rechtlichen", sagt Schmiege. "Trotzdem muss es ein publizistischer Wettbewerb bleiben."
Streit um Geld und Publikum
Spätestens beim Geld gibt es weiter Konfliktstoff und sicher viel Diskussion in München: Alle warten auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Darf der Rundfunkbeitrag für die Öffentlich-Rechtlichen steigen oder nicht? Es geht um 58 Cent mehr auf 18,94 Euro pro Monat. Ob das Urteil noch in diesem Jahr kommen wird, ist allerdings fraglich.
Die Länder - und Söder mit ganz vorn - wollen vor dem Plus erst mehr Reformen und Einsparungen sehen. Private Sender und Verlage werfen den Öffentlich-Rechtlichen immer wieder vor, mit den Beitragsmilliarden auch unfairen Wettbewerb durch zu viele freie Angebote im Netz zu finanzieren. Schmiege weiß als Bayerns Chefaufseher für Privatsender: "Ich will nicht dramatisieren, aber für viele Rundfunkanbieter und Publisher ist es aktuell sehr schwierig."
Jobs in den Medien
Und der Mensch? Viele Medienschaffende in den Redaktionen fragen sich selbst: "WTFuture?!" Durch Fusionen und sinkende Einnahmen fallen Stellen weg. Wie viele Jobs ersetzt zudem KI? Die Medientage diskutieren daher auch, was den Menschen im Journalismus jenseits der Technik noch auszeichnet.
In Zeiten von Fake News und erschreckend perfekt gefälschten Videos sehen Branchenexperten in der Glaubwürdigkeit von Qualitätsmedien die wichtigste Aufgabe und Zukunftschance. "Entscheidend ist am Schluss: Gibt es einen Menschen, der die Verantwortung übernimmt?", sagt Schmiege. "Dafür brauchen wir regulatorische Leitplanken, damit man nicht die KI blind laufen lässt."/fd/DP/nas
Quelle: dpa-Afx