Milliardenmärkte, KI-Hype und Mega-Umbauten treiben Amerikas Industrie-Ikonen zu neuen Höhen. Doch Vorsicht: Bei Illinois Tool Works und Otis wackeln plötzlich die Fundamente. Welche Aktien jetzt noch lohnen – und wo Anleger lieber die Finger weglassen sollten.

Industrie-Giganten vor Zahlen

Es riecht nach Spannung an der Wall Street. Die US-Industriekonzerne stehen kurz vor der Veröffentlichung ihrer Zahlen fürs zweite Quartal – und die Erwartungen könnten kaum gegensätzlicher sein.

Barclays prognostiziert für die meisten Multi-Industrials positive Überraschungen. Analysten erwarten starke Ergebnisse, gestützt von Reshoring-Trends, KI-getriebenen Investitionen und der robusten Nachfrage in Schlüsselsektoren wie Energie, Automatisierung und digitale Infrastruktur.

Doch die Warnung steht fett im Raum: Hohe Bewertungen und bereits gewaltige Kursanstiege könnten das kurzfristige Potenzial dämpfen. Die Bank unterscheidet klar zwischen drei Aufstiegs-Kandidaten und zwei Wackelkandidaten. Hier die fünf Stars, die Anleger unbedingt auf dem Schirm haben sollten – mit allen Details:

GE Vernova: Stromlieferant für das KI-Zeitalter

Kaum eine Aktie elektrisiert derzeit so sehr wie GE Vernova. Die Konzernabspaltung von General Electric hat sich binnen weniger Monate vom Insider-Tipp zum absoluten Highflyer entwickelt.

Warum? Ganz einfach: Künstliche Intelligenz treibt weltweit die Stromnachfrage in absurde Höhen. Rechenzentren fressen Unmengen Energie, und genau hier liefert GE Vernova die entscheidende Hardware: Windturbinen, Gas-Turbinen, Grid-Lösungen.

UBS startete gerade die Coverage mit einem klaren Buy-Rating und einem bullischen Kursziel von 614 US-Dollar – rund +15 % Potenzial vom aktuellen Kurs bei ca. 534 US-Dollar.

BMO Capital hob das Kursziel ebenfalls an, zuletzt auf 590 US-Dollar (vorher 522 US-Dollar), gestützt auf starke Perspektiven im Gas-Power-Geschäft.

Die Wachstumsstory:

UBS prognostiziert für GEV eine durchschnittliche Gewinnsteigerung von 70 % jährlich über die kommenden fünf Jahre. Das ist die höchste Wachstumsprognose aller von UBS gecoverten Industrieaktien!

Der Konzern besitzt einen Marktanteil von 35 % im globalen Gas-Turbinen-Markt.

Laut BMO könnte GEV bis 2035 2,5-mal höhere Service-Umsätze erzielen, vor allem durch langfristige Wartungsverträge (LTSA) – bei 10 Prozent höheren Margen.

Die Aktie hat in den vergangenen zwölf Monaten über 204 % zugelegt – und allein in den letzten drei Monaten nochmals +85 %.

Neben dem Energiegeschäft prüft GE Vernova aktuell sogar einen möglichen Verkauf seiner Software-Sparte Proficy, die bis zu 1 Milliarde US-Dollar einbringen könnte. Ein weiterer Hebel für die Bilanz.

Knackpunkt: Nach der Kursrally notiert die Aktie bei 28x 2026er EBITDA – kein Schnäppchen mehr. Analysten sehen kurzfristig Bewertungsrisiken, doch die Story bleibt intakt.

Honeywell: Strategischer Neustart

Honeywell ist ein Musterbeispiel dafür, wie sich ein Industrie-Koloss neu erfindet.

Das Unternehmen steht vor einer historischen Zäsur: Geplant ist eine Aufspaltung in drei eigenständige Bereiche – Aerospace, Industrial Automation und Advanced Materials. Damit will Honeywell Komplexität abbauen und seine Margen steigern.

Jüngst kam eine weitere Nachricht:

Honeywell prüft strategische Alternativen für sein Geschäft mit Productivity Solutions and Services (PSS) und Warehouse and Workflow Solutions. Zusammen machen diese Einheiten knapp 11 % des Umsatzes aus, gelten aber als margenschwächer und komplex.

UBS-Analyst Amit Mehrotra sieht darin eine kluge Weichenstellung. Wird das Geschäft verkauft oder abgespalten, könnte Honeywell noch fokussierter und profitabler werden. Besonders attraktiv:

Der Bereich Process Automation könnte künftig rund 80 % des Industrial Automation-Umsatzes liefern (heute nur 60 %).

Honeywell ist in der Gebäudetechnik stark aufgestellt, mit zuletzt 8 % organischem Wachstum in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen.

Der Markt sieht Chancen für ein Re-Rating, sollte der Konzern aus dem Umbau als schlankeres, dynamischeres Unternehmen hervorgehen.

Doch die Aktie hat dieses Jahr bisher leicht nachgegeben (–0,45 % YTD). Anleger warten auf den endgültigen Vollzug des Splits.

Rockwell Automation: Digital-Pionier auf Wachstumskurs

Rockwell Automation gilt bei vielen Investoren als die sichere Wette auf Industrie 4.0.

Das Unternehmen ist weltweit führend in Industrieautomatisierung und digitalen Lösungen. Vor allem in der Life-Sciences-Industrie läuft es derzeit glänzend:

Laut Rockwells jüngstem State of Smart Manufacturing Report setzen 95 % aller Life-Sciences-Unternehmen inzwischen smarte Technologien ein.

Besonders gefragt: Künstliche Intelligenz, um Produktqualität zu steigern, Betriebskosten zu senken und Fachkräftemangel zu kompensieren.

Rockwellsneues FactoryTalk PharmaSuite 12.00 bringt Cloud-Fähigkeit und verbesserte Cybersecurity – ein massiver Wettbewerbsvorteil.

Die Aktie liegt bei 325,14 US-Dollar, nahe dem 52-Wochen-Hoch. Analysten sind optimistisch:

KeyBanc hob das Kursziel jüngst von 345 auf 360 US-Dollar an. Begründung: starke Margen, keine Projektverzögerungen trotz geopolitischer Risiken.

Barclays setzt ebenfalls auf Rockwell mit einem Ziel von 350 US-Dollar.

Die Aktie bringt es auf eine 12-Monats-Performance von +27 %.

Ein Pluspunkt: Rockwells Geschäft ist zu über 60 % nordamerikalastig. Das schützt vor Handelsstreit-Turbulenzen.

Aber: Das Unternehmen ist kein Schnäppchen, bewertet mit einem KGV von 40,7. Anleger zahlen einen satten Aufschlag für Qualität.

Illinois Tool Works: Wolken über dem Dauerläufer

Es gibt jedoch auch Schatten. Illinois Tool Works, lange ein Liebling von Dividenden- und Qualitätsinvestoren, steckt in rauer See.

Bank of America hat den Titel auf Underperform herabgestuft. Die Gründe:

Auto- und Konsumgeschäft schwächeln, wichtige Pfeiler für ITW.

Gefahr von Margendruck durch Zölle und schwächere Nachfrage.

Segmente wie Food Equipment, Test & Measurement & Electronics zeigen Schwäche – diese Bereiche machen rund 60 % des Umsatzes aus.

Bank of America senkte das Kursziel von 245 auf 220 US-Dollar. Analyst Andrew Obin sieht kaum organisches Wachstum 2025 (–0,5 %). Zwar bleibt ITW ein exzellent geführter Konzern – doch der Markt sieht aktuell mehr Risiken als Chancen.

Otis Worldwide: Zwischen Höhenflug und Stillstand

Auch Otis Worldwide gerät zunehmend ins Kreuzfeuer. Der Weltmarktführer für Aufzüge und Rolltreppen hat zuletzt die Erwartungen beim Umsatz leicht verfehlt:

Q1-Umsatz lag bei 3,35 Mrd. US-Dollar, knapp unter den erwarteten 3,36 Mrd. US-Dollar.

Gewinn pro Aktie lag leicht über Prognosen bei 0,92 US-Dollar.

Positiv: 12 % Zuwachs bei Modernisierungsaufträgen und eine wachsende Auftrags-Pipeline.

Trotzdem:

RBC Capital senkte das Kursziel auf 105 US-Dollar (vorher 109).

Analysten sorgen sich um das Wachstum im lukrativen Wartungs- und Reparaturgeschäft.

Langfristig bleibt Otis solide:

Marktführer in einer oligopolartigen Branche

Solide Dividendenrendite (aktuell ca. 1,81 %)

Stabiles Service-Geschäft sichert planbare Einnahmen

Doch kurzfristig trüben sich die Perspektiven ein wenig ein.

Endfazit

Die großen US-Multi-Industrials stehen vor einer entscheidenden Quartalssaison. Barclays bleibt für viele Titel bullish, mahnt aber zur Vorsicht bei hoch bewerteten Aktien. Anleger sollten die Q2-Zahlen genau verfolgen. Hier entscheidet sich, wer wirklich die Kraft hat, die hohen Erwartungen zu schlagen – und wer ins Hintertreffen gerät. Bei GEV, Honeywell und Rockwell bleibt die Story heiß.

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