Soviel Minus mussten Apple-Aktionäre lange nicht mehr ertragen. Doch der Selloff des iPhone-Konzerns bietet langfristig orientierten Anlegern neue Chancen.
Von außen betrachtet könnte man meinen, Apple stecke in der Krise. Seit Jahresbeginn hat die Aktie des lange Zeit wertvollsten börsennotierten Unternehmens der Welt rund 22 Prozent an Wert verloren – ein Absturz, der für verwöhnte Big-Tech-Investoren ungewöhnlich schmerzhaft ist. In den vergangenen Handelstagen setzte sich die Schwäche fort: Während Microsoft, Nvidia oder Meta im Wochenverlauf im Aufwind waren, verlor Apple allein am Freitag erneut drei Prozent.
Acht Verlusttage in Folge – das gab es seit vielen Jahren nicht mehr in Cupertino. Ausgerechnet Apple, über mehr als eine Dekade wertvollster Konzern der Welt, Symbol für Innovationskraft, einmaliges Produktdesign und grenzenlose Marktmacht, ist 2025 Schlusslicht unter den „Magnificent Seven“ – und zwar mit Abstand. Inzwischen ist Apple hinter Microsoft und Nvidia mit mittlerweile 10 und 15 Prozent Abstand in der Marktkapitalisierung nur noch drittwertvollster Konzern.
Zoll-Streit belastet
Die Gründe für die Underperformance sind vielfältig. Vor allem der seit Beginn der zweiten Amtszeit von Präsident Trump schwelende Zollstreit hat Apple mehr als den anderen Mag 7-Werten zugesetzt, da die Abhängigkeit von China in der Produktion erheblich ist. Erst Ende vergangener Woche sorgte ein neuer Post von Präsident Donald Trump für Aufsehen: Apple solle 25 Prozent Zoll zahlen, wenn es seine iPhones nicht in den USA produziere.
Eine Drohung mit Symbolkraft, aber wohl kaum mit realer Wirkung. Analysten wie Angelo Zino von CFRA sprechen von „reinem Lärm“, auch weil Samsung und andere Smartphone-Hersteller ebenso betroffen wären. Tech-Staranalyst Dan Ives hat in der Vergangenheit immer wieder vorgerechnet, dass eine ausschließliche Produktion des iPhones in den USA die Kosten der Apple-Kult-Smartphones und den Preis für Verbraucher massiv in die Höhe treiben würde.
KI-Fantasie fehlt – Leitet die WWDC das Comeback ein?
Viel Kritik hat Apple zuletzt für seine anhaltende Schwäche im Zukunftssegment Künstliche Intelligenz (KI) einstecken müssen. Seit dem Launch der Sprachassistentin Siri Ende 2011 hat Apple sein KI-Versprechen nie eingelöst. Entsprechend bemängeln manche Kritiker, Apple sei im KI-Rennen ins Hintertreffen geraten. Tatsächlich wirkt Siri im Vergleich zu ChatGPT oder Googles Gemini stark veraltet und wenig hilfreich.
Wie groß Apples Rückstand im KI-Zeitalter inzwischen tatsächlich ist, hat der gut vernetzte Techreporter Mark Gurman vergangene Woche in einer viel beachteten Reportage bei Bloomberg beleuchtet. „Apple Intelligence“, die eigene Antwort auf ChatGPT, Grok, Claude & Co., bietet bisher kaum Mehrwert, während die Generalüberholung von Siri verschoben wurde. Auch der Schulterschluss des früheren Apple-Chefdesigners Jony Ive mit OpenAI wurde in der Branche als Warnschuss für Apple gewertet.
So wenig Apple-like der aktuell Status quo im wichtigsten Wachstumssegment der Techbranche auch ist – der Kultkonzern hat die Ressourcen, um den Rückstand wieder aufzuholen. Die bevorstehende Worldwide Developers Conference (WWDC) am 9. Juni bietet Apple die Chance, mit neuen Produkt-Innovationen den Startschuss zum KI-Comeback einzuläuten.
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Das Ökosystem als Wettbewerbsvorteil
Die eigentliche Stärke des inzwischen 49 Jahre Techpioniers liegt unterdessen seit Jahren nicht im schnellen Launch des nächsten Blockbuster-Produkts, sondern vielmehr im tiefen Burggraben (Moat). Apples größte Waffe im Kampf um Marktanteile ist nämlich nicht nur das Kultprodukt iPhone, sondern am Ende das gesamte Ökosystem.
Wer einmal ein iPhone besitzt, wechselt selten zu Android-Anbietern. Wer einen MacBook kauft, bleibt meist bei Apple-Computern. Diese „Stickiness“ des Ökosystems hat in der mittlerweile seit 14 Jahren laufenden Ära von Tim Cook für so planbare Umsätze und hohe Kundenbindung gesorgt wie bei keinem anderen Techkonzern. Für Investmentlegende Warren Buffett war die enormen Kundenloyalität das Kernargument seines Einstiegs in die Apple-Aktie vor neun Jahren.
Gesundheitssparte bietet unterschätztes Potenzial
Während die Börsenwelt auf das vermeintliche nächste große „One more Thing“ aus Cupertino wartet, könnte es Apple unterdessen seit Jahren mit weniger Medienbuhei lanciert haben. Bereits 2019 deutete Tim Cook in einem Interview mit CNBC an, dass Apple größtes Potenzial im Gesundheitssektor liege.
Seit Jahren investiert Apple diskret, aber strategisch in Sensorik, Health-Tracking und medizinische Schnittstellen. Die Apple Watch, die bislang im Verkaufserfolg weit hinter dem iPhone zurückgeblieben ist, kann bereits heute Herzrhythmusstörungen erkennen. Künftige Geräte könnten indes mit Funktionen ausgestattet sein, die die Smartwatch zum ultimativen Gesundheitsgadget machen würden – etwa Features zur Blutzuckermessung, Schlafanalyse oder gar Prävention schwerer Krankheiten. Gesundheitstechnologie ist aktuell vermutlich der meist unterschätzte "Moonshot" auf Apples Innovationslandkarte – ein Markt, dessen Potenzial sich kaum beziffern lässt.
Bewertung deutlich zurückgekommen – Aktienrückkäufe stützen
Auch fundamental hat sich Apple nach Jahren der Überbewertung wieder in gemäßigtere Gefilde bewegt. Mit einem 12-Monats-KGV von rund 26 liegt der Konzern unterhalb seiner Big-Tech-Peers wie Nvidia, Microsoft oder Amazon – und sogar unterhalb des KGVs des IT-Sektors im S&P 500. Verglichen mit dem S&P 500 (KGV: 21,2) wird Apple zwar noch mit einem Aufschlag gehandelt, doch dieser erscheint angesichts der Marktposition und Profitabilität gerechtfertigt.
Die hohen Margen und die starke Bilanz mit enormen Cash-Reserven bieten nämlich Spielraum für weitere Aktienrückkäufe. Tatsächlich sitzt Apple auf einer der größten Cashreserven der Welt und nutzt sie regelmäßig für Aktienrückkäufe. Allein im vergangenen Quartal kaufte das US-Unternehmen eigene Anteile im Volumen von 27 Milliarden Dollar zurück. Für Langfristinvestoren ergibt sich daraus ein stetiger Werttreiber.
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Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstand und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Apple.
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Der Autor hält unmittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Apple.