Auf den ersten Blick spricht aktuell wenig für ein Investment in die Aktie von AT & S. Charttechnisch ist der Titel in einem mehr als einjährigen Abwärtstrend gefangen. Zudem ist das aktuelle Markt-umfeld schwierig. Denn mit seinen Leiterplatten ist das Unternehmen mit Sitz in Leoben in der Steiermark in einer äußerst zyklischen und schnelllebigen Branche unterwegs. Um nicht in den Strudel der Preiskämpfe zu geraten, wie sie vor allem asiatische Wettbewerber immer wieder anzetteln, hat sich AT & S als einer der führenden Akteure im hochpreisigen Segment etabliert. Das Unternehmen produziert dünne, hochkomplexe Leiterplatten und ist deswegen ein Schlüssellieferant für Smartphone-Hersteller wie Apple.

Zauberwort Modularfertigung

Zwei Drittel der Erlöse stammen aus dem Geschäftsbereich Mobile Endgeräte und Substrate. Schwächt sich hier die Nachfrage ab, schlägt das negativ auf die Auftragslage durch. Eine solche Konstellation, so gibt Vorstandschef Andreas Gerstenmayer gegenüber BÖRSE ONLINE zu verstehen (siehe Interview Seite 2), zeichne sich momentan durch den Handelsstreit zwischen den USA und China ab. AT & S ist nach eigenen Angaben nicht von Zöllen, wohl aber vom Verhalten der lokalen Abnehmer und Konsumenten betroffen.

Schaut man genauer hin, könnte sich eine Investition dennoch auszahlen. Langfristig hat sich Gerstenmayer ambitionierte Ziele gesteckt. Innerhalb der kommenden fünf Jahre soll der Umsatz um gut 50 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro zulegen. Damit verbunden ist eine Neuausrichtung. AT & S will sich auf der Produktseite zu einem Hersteller fertiger Module wandeln, in denen Hunderte Elektronik-elemente auf einer Leiterplatte verpackt werden. Die Massenproduktion findet an den chinesischen Standorten statt. Dafür nehmen die Österreicher jeweils 100 Millionen Euro für die neue Modulfertigung sowie die Weiterentwicklung von bestehenden Technologien in die Hand.

Der Konzernumsatz stieg im Geschäftsjahr 2018/19, das am 31. März endete, um 3,6 Prozent auf 1,03 Milliarden Euro, der operative Gewinn auf Ebitda-Basis verbesserte sich von 226 auf 250,1 Millionen Euro und schob die Marge auf 24,3 Prozent. Unterm Strich verdiente AT & S 86,9 Mil-lionen Euro und damit 53,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Positiv bemerkbar machten sich Effizienz- und Produktivitätssteigerungen, aber auch Bewertungseffekte durch die Entwicklung des US-Dollar sowie die Anwendung der neuen Rechnungs-- legungsvorschrift IFRS 15. Für dieses Jahr erwartet Gerstenmayer Umsatz und Ertrag auf Vorjahresniveau.

Günstig bewertete Wachstumsstory

Diese geringe Erwartungshaltung haben die Märkte mit einem einstelligen 2020er--KGV eingepreist. Aktuell notiert die Aktie in der Nähe ihres Buchwerts. Überhaupt lassen die bilanziellen Kennziffern erkennen, dass die Gesellschaft den Investoren neben Wachstumsfantasie jede Menge Substanz bietet. Die Eigenkapitalquote liegt bei strammen 44,5 Prozent, und dank des operativen Cashflows von zuletzt 170,5 Millionen Euro konnte die Firma zuletzt sämtliche Investitionen in Sachanlagen aus dem laufenden Geschäft finanzieren. Es sollte deshalb nur eine Frage der Zeit sein, bis die Aktie wieder ins Laufen kommt.

Auf Seite 2: Interview

Interview: "Mehr Module, mehr Services"

Vorstandschef Andreas Gerstenmayer erklärt, wie sich AT & S in einem schwierigen Marktumfeld -behaupten kann und sich in Zukunft neue Geschäftsfelder erschließen will.

Börse Online:

Herr Gerstenmayer, Ihr Ausblick für das laufende Geschäftsjahr fällt sehr vorsichtig aus. Was sind die größten Herausforderungen?

Andreas Gerstenmayer:

Etliche globale Faktoren erschweren zurzeit eine seriöse Prognose über einen längeren Zeitraum. Gerade der Handelskonflikt zwischen den USA und China zeigt, dass sich die Ökonomie nicht von der Politik lösen kann. Die aktuelle Entwicklung hat zu einer Zurückhaltung der chinesischen Konsumenten gegenüber US-Produkten wie Apple geführt.

Welche Zielmärkte sind betroffen?

Bei den mobilen Endgeräten haben sich im zweiten Halbjahr 2018 Eintrübungen eingestellt. Sehr positiv ist dagegen die Entwicklung im Geschäftsfeld IC-Substrate, also Spezialleiterplatten, welche unterschiedlich dimensionierte Anschlüsse auf engstem Raum verbinden.

Auf welche Zukunftsmärkte setzen Sie?

Die Elektronikindustrie ist stark von Trends zur Miniaturisierung und der funktionalen Integration geprägt. Zugleich verkürzen sich die Lebenszyklen. Darauf haben wir uns eingestellt, indem wir die Produkte modularer ausrichten. Will heißen: Wir entwickeln integrierte Funktionsbausteine mit einem definierten Leistungsspektrum, die in unterschiedlichsten Anwendungen und Geräten zum Einsatz kommen.

Wie soll daraus Wachstum entstehen?

Indem wir neben unseren Leiterplatten und Substraten auch Services für Design, Fertigung und Qualitätstests für die Modulintegration anbieten. Dadurch erschließen wir uns neue Geschäftsmöglichkeiten entlang der Wertschöpfungskette.

Was erwarten Sie für das laufende Geschäftsjahr?

Aktuell gehen wir von einer auf Jahresbasis stabilen Umsatzentwicklung und einer Ebitda-Marge in der Bandbreite von 20 bis 25 Prozent aus.