Die Erholungsbewegung nach dem Corona-Crash im Frühjahr fiel in den vergangenen Monaten relativ rasant aus. Manche Aktien notieren bereits wieder auf dem Vorkrisen­niveau oder sogar darüber. Ob der Geschäftsverlauf mit der dynamischen Kurs­entwicklung mithalten kann, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Die Berichtssaison steht vor der Tür, und mit ihr kommt die Wahrheit auf den Tisch.

Eins steht bereits heute fest: Die Unterschiede werden gravierend sein. Denn vor allem die Branchenzugehörigkeit entscheidet über Expansion oder Kontrak­tion. Die sogenannten Pandemiegewinner wie Onlinefirmen befinden sich inmitten eines Wachstumszyklus, andere wie die Luftfahrtindustrie dagegen im Sturzflug.

Gemischte Vorboten


Einige wenige Unternehmen sendeten bereits erste Indikationen. Bayer musste beispielsweise aufgrund der wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie - das gilt vor allem für die Agrarsparte - beim Ausblick zurückrudern. Die Leverkusener erwarten bis weit ins kommende Jahr hinein Belastungen, die sich auch negativ auf die Gewinne auswirken dürften. Andere Töne sind aus der Zentrale der Deutschen Post zu hören. Der gelbe Riese hat dank boomender Geschäfte rund um Pakete und Expresssendungen im dritten Quartal deutlich mehr verdient und hob das Gewinnziel für das Gesamtjahr an. Und das um mehr als 16 Prozent in Bezug auf die Mitte der Prognosespanne. Die Reaktionen an der Börse fielen heftig aus: Während die Bayer-Aktie um ein Zehntel abstürzte, schoss die Deutsche-Post-Aktie auf ein neues Allzeithoch nach oben.

Auch bei den Nebenwerten zeigen sich bereits vor dem eigentlichen Start der Berichtssaison große Unterschiede. Der Bootsbauer Hanseyachts schockte aufgrund einer Teilabschreibung auf eine Beteiligung mit dem Verlust von über der Hälfte des Grundkapitals. Der Heimwerkerprofi Einhell legte dagegen auf die schon im Juni erhöhte Jahresprognose eine Schippe drauf. Anstatt Umsätzen von 62 0 bis 630 Millionen Euro erwarten die Niederbayern nun 670 Millionen Euro. Die Rendite vor Steuern soll mit 6,5 Prozent (bisher 5,5 bis sechs Prozent) ebenfalls spürbar höher ausfallen. Mit Blick auf die anstehende Berichtssaison zieht Warburg Research in einer aktuellen Studie ein positives Fazit: "Wir erwarten weitaus mehr positive Überraschungen als Gewinnwarnungen."

Zwischen Aufschwung und Pleitewelle


Große Unterstützung dürften die Firmen von der wieder anziehenden Wirtschaft im dritten Quartal bekommen haben. Mut machen Indikatoren wie der Auftragseingang für das deutsche verarbeitende Gewerbe, der im August um 4,5 Prozent gegenüber dem Vormonat zulegte. Auch die Exporte verbuchten in diesem Monat ein ordentliches Plus von 2,4 Prozent. In beiden Fällen ist es der vierte Monat in Folge mit positiver Tendenz.

Insgesamt dürfte die heimische Wirtschaftsleistung nach dem Einbruch im zweiten Quartal eine rasante Wende verzeichnet haben. Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen rechnet damit, dass das "reale BIP im dritten Quartal um etwa neun Prozent gewachsen ist, wodurch ein erheblicher Teil des Einbruchs im ersten Halbjahr ausgeglichen wurde".

Unzweifelhaft gute Nachrichten, die Applaus verdienen. Für grenzenlose Euphorie ist es aber trotzdem zu früh. Eine große Unbekannte in der Gleichung "Wirtschaftserholung gleich Börsenaufschwung" sind noch die potenziellen Insolvenzen. Um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzumildern, hat die Bundesregierung die Insolvenzpflicht bis Ende September ausgesetzt. "Die viel diskutierte Welle von Insolvenzen sollte daher ab Oktober beginnen", vermutet Jörg Krämer von der Commerzbank. Darüber hinaus erreichten die Corona-Neuinfektionen zuletzt die höchsten Werte seit Ende April. "Kaum verwunderlich, dass über lokale beziehungsweise gar umfassende Beschränkungen wieder nachgedacht wird, um eine erneute Ausbreitung des Virus einzudämmen", sagt Stefan Scheurer von Allianz Global Investors und fügt hinzu: "Im Umkehrschluss könnte das allerdings die wirtschaftlichen Aufschwungtendenzen beeinträchtigen oder gar gefährden."

Wir haben die deutsche Aktienlandschaft überprüft und Unternehmen herausgefiltert, bei denen es in den nächsten Wochen - in negativer und in positiver Hinsicht - spannend werden dürfte. Auf den folgenden Seiten finden Sie zu acht Titeln eine detaillierte Analyse.

CTS Eventim: Das große Rad steht vorerst still


Bis Anfang des Jahres zählten wachsende Gewinne und ein steigender Aktienkurs zu CTS Eventim wie Zugaben zu einem guten Konzert. Doch dann hat Covid-19 dem Veranstalter und Tickethändler sprichwörtlich die Show gestohlen. Im zweiten Quartal brachen die Umsätze um 96 Prozent ein. Dank strikter Kostendisziplin hielt sich der Verlust zunächst in Grenzen. CTS Eventim hoffte, ab Herbst wieder mehr Liveveranstaltungen durchführen zu können. Angesichts der vielerorts steigenden Neuinfektionen wird da­raus wohl nichts. Vielmehr dürften die drastischen Folgen der Pandemie erneut zum Vorschein kommen, sobald das Unternehmen am 19. November die Zahlen für das dritte Quartal veröffentlicht. Ana­lys­ten könnten anschließend ihre Ergebnisschätzungen weiter zurückschrauben. Es fällt schwer, bei einem unverschuldet ins Schlingern geratenen Dauerfavoriten diesen Rat auszusprechen, doch vorerst sollten Anleger die CTS-Aktie meiden.

Flatex: Eine Vielzahl von Kursbeschleunigern


In Bezug auf Flatex überschlägt sich derzeit das Lob der Analystenzunft. Hauck, Goldman und Berenberg kamen in den vergangenen Wochen mit Kaufempfehlungen um die Ecke. Jefferies zählt die Aktie des Onlinebrokers sogar zu den "Quarterly Best Ideas". Wir sehen bei Flatex ebenfalls Chancen, denn es sind gleich mehrere Faktoren, die die Aktie antreiben sollten. Erstens profitiert der Onlinebroker von den sehr günstigen Marktbedingungen. Bereits nach sechs Monaten erhöhte Flatex das Jahresziel von 50 auf 70 Millionen Transaktionen. Dieses sollte nach dem dritten Quartal aufgrund der anhaltenden Volatilität mindestens bestätigt, wenn nicht sogar noch einmal leicht erhöht werden. Für einen starken Zwischenbericht sprechen auch positive Aussagen von Finanzvorstand Muhamad Chahrour auf einer Konferenz im September bezüglich der aktuellen Entwicklung. Hinzu kommt die jüngste Übernahme des niederländischen Wettbewerbers Degiro, die für Fantasie sorgt. Jefferies geht davon aus, dass Flatex dadurch in den kommenden Jahren mit "einem beschleunigten Wachstum" glänzen wird. Eine mögliche SDAX-Aufnahme im Dezember rundet eine Anlage in die Aktie ab.

Fuchs-Petrolub: Kurz- wie langfristig aussichtsreich


Firmen, die mit der kriselnden Autoindustrie Geschäfte machen, stehen bei Anlegern derzeit im Abseits. Allerdings sollte die Branche nicht über einen Kamm geschoren werden. So könnte Fuchs Petrolub das Schlimmste bereits hinter sich haben. Nicht nur dass die Automärkte zuletzt wieder anzogen, auch machte sich der Schmierstoffhersteller mit einer eigenen E-Mobility-Linie, zum Beispiel mit speziellen Getriebeölen und Motorenfetten, fit für die Zukunft. Ein cleverer Schachzug, steigen doch die Verkäufe der Stromer trotz der Pandemie weiter an. Aktuell steht Fuchs am Ende seines langjährigen Investitionszyklus und könnte nun die Früchte ernten. Analysten erwarten, dass sich die operative Marge 2021 um 170 Basispunkte auf 12,2 Prozent erholen wird. Kurzfristig könnte Fuchs ebenfalls positiv überraschen. Warburg rechnet damit, dass der für 2020 erwartete Gewinnrückgang von 25 Prozent auf "bis zu minus 20 Prozent" angehoben wird.

Init: Etwas Vorsicht kann nicht schaden


Egal ob kontaktloses Bezahlen oder Fahrgastzählung, die Lösungen von Init erfreuen sich angesichts der Pandemie einer erhöhten Nachfrage. Daher wundert es nicht, dass die Prognose - Umsatzplus von 15 Prozent sowie ein Ebit-Anstieg um rund 17 Prozent - im August noch einmal bekräftigt wurde. Der Auftragseingang soll auf 180 bis 190 Millionen Euro zulegen. Genau hier könnte ein wunder Punkt liegen, denn zum Halbjahr war das Orderbuch erst 88 Millionen Euro schwer. Sollte es zu einer weiteren Verschiebung des Großauftrags aus Houston kommen - der Abschluss wurde aufgrund von Corona aufs zweite Halbjahr verschoben -, droht der Telematik- und Ticketingspezialist bei seinem Ziel für den Auftragseingang zu scheitern. Mehr Klarheit könnte bei der Präsentation der Quartalszahlen herrschen. Etwas sauer stößt uns ein erneuter Aktienverkauf von Chef Gottfried Greschner Ende September auf. Auch wenn das nicht zwangsläufig ein schlechtes Zeichen sein muss - Greschner taucht immer wieder auf der Verkäuferseite auf -, ist der Zeitpunkt zum Quartalsende doch ungünstig. Wir lassen Vorsicht walten, bleiben an der Seitenlinie und warten auf einen günstigen Wiedereinstieg.

MTU Aero Engines: Struktureller Verlierer


Wenn MTU Aero Engines am 29. Oktober seinen Quartalsbericht offenlegt, werden sich erneut die Auswirkungen von Corona auf die Luftfahrtbranche mit voller Wucht zeigen. Denn die Pandemie sorgt dafür, dass die meisten Flugzeuge am Boden bleiben, die Produktion nur noch auf Sparflamme läuft und mit ihr der Verkauf neuer Triebwerke lahmt. MTU versucht dem mit Kostensenkungen entgegenzuwirken. So sollen bis Ende 2021 zehn bis 15 Prozent der Arbeitsplätze gestrichen werden. Eine operative Wende ist trotzdem in weiter Ferne, denn der Konzern ist nicht nur wegen Corona ein struktureller Verlierer, auch der zunehmende Klimaschutz bremst MTU aus. Dies dürfte sich auch weiterhin in den Zahlen widerspiegeln - und das nicht nur im dritten Quartal. Selbst der Vorstand rechnet erst 2023/24 damit, das Vorkrisenniveau wieder zu ­erreichen. Angesichts dieser Aussichten ­erscheint uns die aktuelle Bewertung des DAX-Titels deutlich zu hoch.

Secunet: Lukrativer Kampf gegen Cybercrime


"Immer einen Schritt voraus sein" - so lautet die Devise von Secunet. Dass die auf Kryptografie, E-Government und E-Health fokussierte Firma dem auch gerecht wird, zeigt unter anderem die seit 2004 bestehende Partnerschaft mit dem Bund. Und weder Wettbewerber noch die Pandemie können den IT-Security-Spezialisten ausbremsen. Im Gegenteil: Die Nachfrage nach Sicherheitssoftware nimmt angesichts des verstärkten Trends zur Onlinearbeit deutlich zu. Vor allem im öffentlichen Bereich besteht ein großer Nachholbedarf bei mobilen Arbeitsplätzen. Dies führte dazu, dass Secunet seine Prognose Mitte Juni anhob. Zielanhebungen sind bei dem Unternehmen wahrlich kein Einzelfall, allein 2019 wurden die Schätzungen dreimal nach oben revidiert. Wir erwarten, dass das dritte Quartal ebenfalls stark von Homeoffice-Lösungen getrieben wurde. Und da kein Ende des Virus in Sicht ist, sollte die Geschäftsdynamik auch das restliche Jahr über hoch bleiben. Die Chancen auf einen starken Bericht sind damit durchaus gegeben. Eine erneute Anhebung der Prognose ist zwar nicht ausgeschlossen, könnte aber wie 2019 auch erst im Dezember erfolgen, wenn tatsächlich Gewissheit herrscht.

Washtec: Chance auf eine Prognoseerhöhung


Beim Hersteller von Autowaschanlagen bläst nicht erst seit Corona der Wind von vorn. 2020 sollte mit einem neuen Chef alles besser werden. Doch dann legte das Virus die Welt und damit auch die Geschäfte von Washtec lahm. Die Augsburger rechnen mit einem Umsatzminus von 15 bis 20 Prozent und einer sinkenden Rendite auf drei bis fünf Prozent, nach 8,3 Prozent im Vorjahr. Die Prognose könnte aber zu vorsichtig sein, schließlich ließ das Management inzwischen wissen, dass sich die Situation in Europa bereits im zweiten Quartal wieder aufgehellt habe. In der Asien-Pazifik-Region soll der Auftragsbestand nach dem ersten Halbjahr sogar etwas über Vorjahres­niveau gelegen haben. Die besseren Aussichten kamen am Markt noch nicht an, die Aktie hat sich bis dato kaum erholt. Wir stufen den Titel daher auf "Kaufen" hoch, zumal auch die mittelfristigen Aussichten dank neuer Produkte und Kostensenkungen vielversprechend sind.

Hellofresh: Gegessen wird lieber zu Hause


Dass in Zeiten von Corona das Online­geschäft boomt, zeigen die jüngsten Zahlen von Zalando und Shop Apotheke für das dritte Quartal. Das erstgenannte Unternehmen revidierte seine Ziele sogar nach oben. Ins gleiche Horn könnte auch Hello­fresh stoßen; der Kochboxenlieferant zeigte sich bereits im August besonders optimistisch. Aufgrund einer höheren Kundentreue, einer starken Sommersaison sowie einer Verschärfung der Pandemie in einigen Märkten schraubte Chef Dominik Richter die Prognose nach oben: Im Gesamtjahr soll der Umsatz um 75 bis 95 Prozent steigen und die Ebitda-Marge zwischen neun und elf Prozent landen. In den vergangenen Wochen hat sich die Corona-Lage weiter verschärft, wodurch möglicherweise noch mehr Menschen ihre Mahlzeiten lieber am heimischen Tisch einnehmen. Während die Welt also vor einer zweiten Welle steht, könnte das Unternehmen einen Gang hochschalten - operativ wie auch an der Börse. Für eine noch höhere Wachstumsdynamik spricht zudem der Plan, die Kapazitäten zu er­weitern. Dies sollte sich wiederum positiv auf das vierte Quartal auswirken. Der MDAX-Titel hat jedenfalls das Zeug dazu, in neue Kurshöhen vorzustoßen.