Neue Produkte, jede Menge Rabatte und Sonderangebote sowie Schnupperabos: Wenn die letzten zwei Monate des Jahres anbrechen, haben sich Einzelhändler und Onlineshops längst auf die vorweihnachtliche Kauflaune der Konsumenten eingestellt. Der iPhone-Hersteller Apple etwa hat bereits im September der Öffentlichkeit seine neuesten Geräte vorgestellt und setzt jetzt auf neue Rekordverkaufszahlen im Schlussquartal 2019.

Die Umsätze im Weihnachtsgeschäft bleiben für Einzelhändler und andere Unternehmen zwar ein Schlüsselfaktor, aber sie geben längst nicht mehr allein den Takt vor. Ausgehend von den USA gewinnt etwa der "Black Friday" zunehmend auch hierzulande an Bedeutung. Am letzten Freitag im November buhlen Firmen mit Rabattaktionen um Käufer. Gleichzeitig gilt dieser Tag in den USA als Start in die Weihnachtsshopping-Saison.

Die Chancen stehen gut, dass das Schlussquartal 2019 gut wird. In den letzten Monaten hat sich zwar das Wirtschaftswachstum weiter abgeschwächt, was Wirtschaftsforschungsinstitute und Banken in ihren gesenkten Jahrespro­gnosen auch berücksichtigt haben. Allerdings ist von einem globalen Konjunktur­einbruch nichts zu sehen. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass sich die indus­trielle Produktion auf einem niedrigen Niveau stabilisiert. In Europa ist die Wahrscheinlichkeit eines harten Brexit gesunken, und im Handelskrieg zwischen den USA und China mehren sich die Signale, dass die Eskalationsspirale fürs ­Erste gestoppt wird.

Risikobereitschaft steigt


Vor diesem Hintergrund haben Anleger in den letzten Wochen wieder verstärkt Aktien gekauft. Von einer Rally kann keine Rede sein, aber in Zeiten dauerhafter Niedrigzinsen mangelt es doch an Anlage­alternativen. Saisonale Aspekte spielen ebenfalls eine Rolle.

"Der Zeitraum zwischen Halloween und Mai des folgenden Jahres ist der bessere Börsenzyklus, und dafür gibt es statistische Belege", sagt Bernd Meyer, Chefstratege und Leiter Multi Asset der Berenberg Bank. "Ab November wird bei den Anlageentscheidungen der institutionellen Anleger die Basis für die Performance im nächsten Börsenjahr gelegt", erklärt der Experte. Dazu seien Investoren zum Jahresende bereit, ein größeres Risiko einzugehen. Die Folge: "Riskantere Anlagen entwickeln sich langfristig besser in dieser Zeitspanne. Das gilt für Aktien allgemein wie auch für Nebenwerte gegenüber Bluechips und Hochzins- gegenüber Niedrigzinsanleihen im Bondsektor."

Bei den Aktienkursen lässt sich auf Branchenebene diese Entwicklung bereits nachvollziehen. Gefragt sind verstärkt Titel aus Wachstumsbranchen. "Immer mehr Investoren bevorzugen aktuell ­zyklische Titel gegenüber defensiven Aktien", beobachtet Klaus Kaldemorgen, Fondsmanager bei DWS. Die gestiegene Bewertung unterstütze diesen Trend, sagt Gerold Deppisch, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW): "Im europäischen Stoxx ist der Branchen­index für Lebensmittel und Getränke um 40 Prozent höher bewertet als der STOXX 600. Beim Einzelhandelsindex liegt die Bewertung gemessen am KGV um 20 bis 25 Prozent darüber." Für ­diese Sektoren spreche über den Sondereffekt Weihnachtsgeschäft hinaus, dass das Konsumverhalten global auf einem hohen Niveau verharre.

Von einem erneuten Kurseinbruch wie Ende 2018, darin sind sich alle Finanzexperten einig, sollten die Märkte dieses Jahr verschont bleiben. "Das Potenzial für positive Überraschungen zum Jahresende ist größer als noch vor einem Jahr", meint Georg von Wallwitz, Chef der Münchener Vermögensverwaltung Eyb & Wallwitz. "Anleger sollten bei ihren Investments aber nicht den kurzfristigen Branchenrotationen der Märkte folgen, sondern den Blick darauf werfen, welche Firmen in ihren Märkten am besten dastehen und obendrein noch attraktiv bewertet sind." Investoren sollten jetzt also verstärkt auf Aktien achten, in deren Bewertung der Abschwung eingepreist ist. Oder aber sie kaufen Wachstumstitel aus der Technologiebranche, an denen die Korrekturphasen dieses Jahres nahezu spurlos vorübergegangen sind. Gute Renditechancen bieten indes weiterhin ausgewählte Firmen aus der Luxus- und Konsumgüterbranche, die vom Weihnachtsgeschäft profitieren. Für Unternehmen aus Bereichen wie Spielwaren, Unterhaltungselektronik und Schmuck entscheidet sich in den letzten zwei Monaten des Jahres sogar, wie das Geschäftsjahr ausfällt.

Luxus hat seinen Preis


Luxuskonzerne haben unterdessen während des jüngsten Abschwungs ihre Profitabilität gesteigert und wachsen dabei deutlich bei Umsatz und Gewinn. Dafür müssen Anleger allerdings eine Bewertung in Kauf nehmen, die über dem langjährigen historischen Durchschnitt liegt. Das gilt auch für Anbieter von Konsumgütern für den täglichen Bedarf. Besonders beliebte Marken und Technologien, die der Konkurrenz einen Markteintritt erschweren, sind weitere Erfolgsfaktoren.

Ein starkes Geschäft im Schlussquartal verzeichnen große Onlinehändler wie Amazon, Alibaba oder Zalando. Handels-, Mode- und Luxuskonzerne haben sich auf den verschärften Wettbewerb durch die Internetfirmen eingestellt, indem sie den eigenen Onlinevertrieb ausbauen. Klassische Kaufhäuser haben mit neuen Verkaufskonzepten reagiert: Ähnlich wie die Boutiquen der Luxusmarken setzen sie auf besondere Shoppingerlebnisse und versuchen etwa mit eigenen Veranstaltungen, vor allem die jüngere Kundschaft zu ködern. Außerdem punkten sie gegenüber reinen Onlinehändlern, wenn sie Lieferdienste wie "Click and Collect" anbieten: Die Kunden bestellen die Ware über das Internet und holen sie selbst im Laden ab, ohne dass ein Paketdienst zwischengeschaltet wird.

Für klassische Einzelhändler ist entscheidend, ob sie im Onlinehandel stark wachsen und gleichzeitig im stationären Handel Kunden in die Geschäfte locken können. Die Kennziffer dafür heißt Comparable Store Sales. Sie beziffert die Fähigkeit, auf vergleichbarer Basis den Umsatz steigern zu können. Darüber hi­naus müssen die Unternehmen in der Lage sein, ihre Absatzmärkte international zu diversifizieren, um temporäre Wachstumsdellen in einzelnen Regionen auszubügeln.

Nutznießer des Jahresendgeschäfts sind auch Logistikkonzerne wie die Deutsche Post. Da inzwischen Onlinehändler wie Amazon selbst Pakete ausliefern, muss sich das Unternehmen etwas einfallen lassen - zum Beispiel Extradienste wie das Expressgeschäft. Um noch schneller und effizienter zu werden, werden Roboter eingesetzt. Dank moderner Datenanalysen lassen sich die Routen der Zusteller optimieren und Arbeitszeiten besser planen - ein Pluspunkt in Zeiten mit hohem Paketaufkommen. Zahlungsabwickler wie Visa, Mastercard und Paypal dürften in den nächsten Jahren mit strukturellem Wachstum glänzen, dank steigender Beliebtheit des Onlineshoppings. Für diese guten Perspektiven müssen Anleger höhere Bewertungen in Kauf nehmen.

Apple: Starke Marken ziehen Käufer und Anleger an

Der Schöpfer von iPhone und MacBook ist nicht nur eine der global begehrtesten Marken, auch die Aktie bleibt bei Anlegern angesagt. Als Reaktion auf das starke Quartalsergebnis schoben weitere Käufe den Titel auf ein neues Allzeithoch. Dabei schaffte es Apple, den Umsatzrückgang um rund neun Prozent auf 33,4 Milliarden Dollar bei den Smartphones durch den Ansturm auf andere Produkte zu kompensieren. So schnellten die Erlöse mit der Apple Watch, den AirPods-Kopfhörern und Streamingdiensten um 54 Prozent auf 6,5 Milliarden Dollar in die Höhe. Der Gesamtumsatz verbesserte sich um 1,8 Prozent auf 64 Milliarden Dollar und übertraf damit leicht die Erwartungen. Schwung im Weihnachtsgeschäft erhofft sich Apple von neuen iPhone-Modellen und einer um neue Funktionen erweiterten Uhr. Nutzer der Kreditkarte Apple Card sollen zudem per Ratenzahlung Smartphones kaufen. Die Aktie bleibt ein klarer Kauf. Wir ziehen Ziel- und Stoppkurs nach.

CEWE Stiftung: Das Beste kommt zum Jahresende

Fotobücher und Wandkalender sind ein beliebtes Geschenkmotiv zur Weihnachtszeit - und lassen beim SDAX-Unternehmen Cewe Stiftung die Kasse klingeln. Der Fotodienstleister aus Oldenburg erzielt nahezu seinen gesamten Jahresgewinn im Schlussquartal. Die Chancen auf ein starkes Finish im Geschäftsjahr 2019 stehen sehr gut, denn das Unternehmen hat bereits in der traditionell schwächeren ersten Jahreshälfte überdurchschnittlich gut abgeschnitten und ein positives operatives Ergebnis eingefahren. Ein wesentlicher Faktor dafür ist, dass die Kunden verstärkt höherpreisige Produkte kaufen. Mit der starken Nachfrage nach Verkaufsschlagern wie dem digitalen Fotobuch kann Cewe die aktuelle Schwächephase im Geschäftsfeld Onlinedruck mehr als kompensieren. Dem Bereich macht der anhaltende Preisdruck zu schaffen. Mittelfristig will Cewe hier höhere Margen einfahren als mit dem Kerngeschäft. Die Quartalszahlen, die Cewe am 12. November meldet, geben erste Rückschlüsse, ob bei der Profitabilität der Boden erreicht ist. Überrascht Cewe mit seinem Zahlenwerk positiv, wäre das neuer Kurstreibstoff.

Deutsche Post: Höhere Margen über digitale Dienste

Für den Logistikkonzern bleibt der Onlinehandel der wichtigste Wachstumstreiber in allen Geschäftsbereichen. Gerade zum Jahresende läuft bei der Deutschen Post das Express- und Paketgeschäft auf Hochtouren. Während das margenstarke Expressgeschäft bereits zu den Renditebringern zählt, hat die 2018 defizitäre Sparte Brief und Paket im zweiten Quartal wieder einen operativen Gewinn ausgewiesen. Eine treibende Kraft dafür ist das deutsche Paketgeschäft, das beim Umsatz um 10,5 Prozent zulegte. Die Vorgabe für das Gesamtjahr, beim operativen ­Gewinn 4,3 Milliarden Euro zu schaffen, sollte der Deutschen Post gelingen, nachdem sie im ersten Halbjahr 1,9 Milliarden Euro erreicht hatte. Nächstes Jahr sollen es fünf Milliarden Euro werden. Dafür wird die Deutsche Post in allen Geschäftsfeldern an der Preisschraube drehen. Für ­effizientere und neue Dienstleistungen investiert sie bis 2025 rund zwei Milliarden Euro in ihre digitalen Strukturen.

LVMH: Luxusmarken setzen neue Glanzpunkte

Designermode, teurer Schmuck, edle Getränke: Der französische Luxuskonzern hat etwas im Sortiment für alle, die sich etwas Besonderes gönnen und zur Weihnachtszeit besonders tief in die Tasche greifen. Mit seinem umfangreichen Markenport­folio wächst LVMH international, zuletzt vor allem in Asien und Nordamerika. Top im Luxussektor ist LVMH auch mit der operativen Marge von zuletzt 21 Prozent. Übernahmen sind ein fester Bestandteil der Strategie, das Wachstum über neue Marken auszubauen. 2011 kauften die Franzosen Bulgari, einen italienischen Hersteller von Luxusschmuck und -uhren. Um sich im lukrativen Schmuckgeschäft weiter zu verstärken, will LVMH nun den New Yorker Juwelier Tiffany & Co. übernehmen und dafür 14,5 Milliarden US-Dollar auf den Tisch legen. Gut denkbar ist aber, dass LVMH beim Kaufpreis nachlegen muss. Im dritten Quartal hat der Konzern trotz Handelskrieg und politischer ­Instabilität in Hongkong bei Umsatz und Gewinn die Erwartungen übertroffen. Ein besonders starkes Schlussquartal wäre die Krönung eines bislang sehr gut gelaufenen Geschäftsjahres 2019 und sollte den Aktienkurs in neue Höhen treiben. Wir erhöhen Ziel- und Stoppkurs.

Pandora: Mit neuem Glanz ins Weihnachtsgeschäft

Der dänische Schmuckhersteller ist im mittelpreisigen Bereich unterwegs. Die Kundschaft kauft die Armbänder, Anhänger oder Ringe vor allem zu Weihnachten und für persönliche Anlässe. Nach dem Gewinnrückgang der letzten zwei Jahre hat sich Pandora ein umfassendes Sanierungsprogramm verordnet. Zugleich bekommen die Onlineshops sowie die Ladengeschäfte ein neues Gesicht. Darüber hinaus soll die Marke verstärkt auf Partnerportalen wie dem chinesischen Onlinehändler Tmall platziert werden. Seit die Gesellschaft die neue strategische Ausrichtung anlässlich der Halbjahreszahlen vorstellte, geht es mit dem Aktienkurs aufwärts. Klar ist aber auch: Im laufenden Geschäftsjahr wird der Umsatz bestenfalls stagnieren. Zugleich führen die Investitionen zu weiter schrumpfenden Gewinnen. Das Weihnachtsgeschäft liefert erste Aufschlüsse darüber, ob die neue Ausrichtung aufgeht. Spekulative Anleger bauen erste Positionen auf.

Roku: Klarer Profiteur des Streaming-Booms

Von Tobias Schorr: Die Tage werden kürzer, die Menschen verbringen mehr Zeit vor dem Fernseher, immer mehr streamen Filme und Serien, anstatt stur dem Fernsehprogramm zu folgen. Davon profitiert Roku: Der US-ame­rikanische Marktführer hat derzeit etwas mehr als 30 Millionen aktive Nutzer. Die Analysten von Macquarie gehen davon aus, dass es dank internationaler Expansion 2022 bereits mehr als 70 Millionen sein werden. Kundenwachstum ist für Roku die wichtigste Währung. Denn dadurch lässt sich das Geschäft skalieren. Jeder dritte in den USA verkaufte smarte Fernseher hat das Betriebssystem von Roku an Bord. Die Kalifornier sind breit aufgestellt und setzen immer mehr Geld mit Werbung über eigene Kanäle um. Im Gegensatz zu Wettbewerbern wie Netflix und Co, die mit eigenen Filmproduktionen ins Risiko gehen, entfällt dieses bei Roku. Am 6. November (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) liefert das Unternehmen Zahlen für das dritte Quartal. Jeweils um rund 20 Prozent kletterte der Kurs nach Bekanntgabe der Daten für die vergan­genen drei Quartale. Needham-Analystin Laura Martin ist überzeugt, dass Roku auch diesmal die Erwartungen des Marktes übertrifft. Wir stufen den Titel hoch.

VISA: Eine sichere Bank für Investoren

Immer mehr Menschen shoppen mit einer Kreditkarte. Für Visa bedeutet das über die nächsten Jahre stabiles Wachstum, zumindest solange konjunkturelle Abschwungphasen kurz ausfallen. Der US-Konzern profitiert vom Konsum, in­dem er für Transaktionen Gebühren verlangt. Zwischen den Geschäftsjahren 2017 bis 2019 kletterte der Umsatz um rund 25 Prozent auf 23 Milliarden US-Dollar. Im Schlussquartal des am 30. September abgeschlossenen Geschäftsjahres 2018/19 schaffte Visa ein Umsatzplus gegenüber dem Vorjahresquartal von 13 Prozent auf 6,1 Milliarden US-Dollar. Der Nettogewinn stieg um 21 Prozent auf 1,47 US-Dollar je Aktie und übertraf die Analystenschätzungen. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet das Management ein Plus von mehr als 20 Prozent beim Konzerngewinn. Die gute Konsumlaune vor Weihnachten sollte für ein starkes Auftaktquartal und weitere Kursgewinne sorgen. Wir erhöhen unseren Ziel- und Stoppkurs.

Zalando: Eigene Plattform als neue Einnahmequelle

Wer die Aktie des Online-Modehändlers zum Jahresanfang gekauft hat, freut sich jetzt über Kursgewinne von rund 80 Prozent. Da aber Zalando bei der Präsentation der jüngsten Quartalszahlen nicht die Renditeerwartungen fürs Gesamtjahr angehoben hatte, gab der Aktienkurs nach. Dieser Rücksetzer bietet jetzt eine gute Einstiegschance: Übertrifft das Unternehmen mit dem Weihnachtsgeschäft die kurzfristig gedämpften Erwartungen, sollte das den Aktienkurs wieder beflügeln. Spekulativ ist der Titel allemal. Die ambitionierte Bewertung reflektiert die Erwartung, dass Zalando seine hochgesteckten Ziele für die nächsten Jahre erreicht. Um die europaweite Expansion zu forcieren, investiert der Konzern 200 Millionen Euro in ein neues Logistikzentrum in Rotterdam. Von dort aus soll der westeuropäische Markt beliefert werden. Für den größten Kostentreiber, die Rücksendungen bestellter Artikel (und das sind gut die Hälfte aller georderten Produkte), greift Zalando verstärkt auf Drittanbieter zurück. Zugleich wird eine eigene Online-­Plattform aufgebaut, über die auch andere Händler und Marken ihre Produkte verkaufen können. Für jede Transaktion kassiert Zalando hier eine Provision.

<>

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals in der BÖRSE ONLINE-Printausgabe 54/2019 vom 07.11.2019