Der Weg in das Internet führt für viele Menschen über Facebook: 2,7 Milliarden nutzen mindestens einmal im Monat eines der Portale des Techriesen. Wer im Netz irgendetwas ausfindig machen will, steuert mit großer Wahrscheinlichkeit Google an - der Marktanteil der Suchmaschine liegt weltweit bei mehr als 90 Prozent. Und wer im Web einkaufen will, schaut vermutlich bei Amazon vorbei: 45 Prozent des amerikanischen Internethandels laufen über dieses eine virtuelle Kaufhaus.

Für Börsianer ist der außergewöhnliche Erfolg der Techriesen ein Glücksfall. Wer vor zehn Jahren gleichgewichtet Geld in die Aktien der Google-Mutter ­Alphabet sowie von Amazon und Facebook steckte, hat den Wert seines Invest­ments bis heute versechsfacht.

Der Aufstieg der Riesen hat aber viele Opfer gefordert: Kleine Händler und große Kaufhausketten werden von Amazon verdrängt; Medienkonzerne verlieren Werbeerlöse an Facebook und Google. Mit zunehmender Größe weiten die Techgiganten ihre Macht immer mehr aus. Potenzielle Rivalen werden frühzeitig aufgekauft oder gezielt aus dem Markt gedrängt. Der Datendienst Bloomberg hat errechnet, dass die fünf großen amerikanischen Techkonzerne - Alphabet, Amazon, Apple, Facebook und Microsoft - über einen Zeitraum von zehn Jahren 431 Unternehmen übernommen und dabei mehr als 155 Milliarden Dollar ausgegeben haben.

Die große Gegnerin


Eine der schärfsten Kritikerinnen von Big Tech ist US-Senatorin Elizabeth Warren von den Demokraten. Nach ihrer Überzeugung haben die Riesen "zu viel Macht über unsere Wirtschaft, über unsere Gesellschaft und unsere Demokratie". Warren fordert die Aufspaltung von Amazon, Facebook und Google.

Jetzt hat der Kampf um Big Tech die nächste Eskalationsstufe erreicht: Das US-Justizministerium und die Handelsbehörde FTC nehmen laut amerikanischen Medien die Geschäftspraktiken von Facebook, aber auch von Alphabet, Amazon und Apple genauer unter die Lupe. Das von den Demokraten kontrollierte Repräsentantenhaus will eigenständige Ermittlungen starten.

Ist Big Tech wirklich zu mächtig? ­Facebook und Google verweisen darauf, dass Konsumenten das Angebot der Konzerne kostenlos nutzen können. Amazon bietet viele Produkte billiger an als Rivalen. Man kann es aber auch ­anders sehen: Kunden überlassen den Unternehmen massenhaft persönliche Daten - ein in der digitalen Welt wertvolles Gut. Außerdem würden sich den Konsumenten in einer Welt mit größerem Wettbewerb womöglich bessere Alternativen bieten.

Angreifbar gemacht haben sich die Konzerne auch durch eigene Fehler, insbesondere einen fahrlässigen Umgang mit den persönlichen Daten der Nutzer. Im vergangenen Jahr musste sich Facebook-Chef Mark Zuckerberg vor dem US-Kongress für die Geschäftspraktiken des Netzwerks rechtfertigen. Wirklich überzeugend waren seine Antworten offenbar nicht.

Auf Seite 2: Extreme Lösungen



Extreme Lösungen


Aus Sicht der Aktionäre könnten ausgerechnet extreme Maßnahme die lu­krativsten sein. Das Analysehaus Needham kalkulierte unlängst, dass die Summe der Einzelteile des Alphabet- Konzerns um 50 Prozent wertvoller sei als das aktuelle Konglomerat, zu dem ­neben der Suchmaschine Google das ­Videoportal Youtube, aber auch ein Sammelsurium kleinerer Firmen gehört. Angesichts des Bewertungsabschlags auf das Konglomerat würde es für Alphabet Sinn ergeben, nicht auf die Politik zu warten, sondern selbst die Ini­tiative zu ergreifen, so Needham.

Genauso könnte Facebook die Bilderplattform Instagram in die Unabhängigkeit entlassen. Die hatte Zuckerberg im Jahr 2012 für eine Milliarde Dollar übernommen. Das war ein extrem guter Deal. Analysten kalkulieren den Wert mittlerweile auf über 100 Milliarden Dollar. Im vergangenen Jahr lieferte Instagram laut Schätzung von Bloomberg 17 Prozent des Werbeumsatzes von Facebook, bis 2020 werde der Anteil auf 25 Prozent steigen. Scott Galloway, Professor von der NYU Stern School of Business, geht davon aus, dass die Tage von Big Tech gezählt sind: Nach seiner Einschätzung werden aus Amazon, Apple, Facebook und Google mittelfristig bis zu zehn Unternehmen. Ein Vorbild ist Ebay. Das Online-Auktionshaus trennte sich im Sommer 2015 von seinem Bezahldienst Paypal. Dieser hat es nun in der Unabhängigkeit leichter, neue Kunden zu gewinnen.

Ob Zuckerberg und Co wirklich bereit sind, ihre Imperien zu zerschlagen? Größe bedeutet auch in der digitalen Welt Macht. Je mehr Daten ein Konzern sammelt, desto besser kann er das Verhalten der Nutzer analysieren.

Ein besonderer Fall ist Amazon: Der Onlinehändler ist aggressiver als alle anderen Techs in neue Geschäftsfelder vorgedrungen. Finanziert wird die Expansion vor allem aus den Gewinnen der Cloud-Sparte AWS. Die wäre als eigenständiges Unternehmen für Investoren sehr attraktiv. Ein Abspaltung der Sparte aber hätte drastische Konsequenzen für den Amazon-Konzern.

Harte Geduldsprobe


Eine schnelle Entscheidung ist nicht zu erwarten. Noch haben die US-Behörden nicht mal entschieden, ob sie ein ­offizielles Verfahren einleiten. Bis zu ­einem Urteil würden selbst dann noch mehrere Jahre vergehen. Einige Analysten sehen Parallelen zu Verfahren der Europäischen Union gegen Google. Diese endeten mit Geldstrafen, die der Konzern dank seiner enormen Finanzkraft schmerzlos zahlen konnte.

Ein großer Unsicherheitsfaktor ist die Politik. Im November 2020 stehen die Präsidentschaftswahlen an. Forderungen nach einer Aufspaltung der großen Techkonzerne werden nach Einschätzung von Needham eines der großen Wahlkampfthemen. Nicht nur der linke Flügel der Demokraten ist alarmiert. Auch die Unterstützung der eigentlich wirtschaftsnahen Republikaner wankt. Der sozialkonservative Block wirft dem Silicon Valley vor, Stimmung gegen die Republikaner zu machen. Donald Trump giftete etliche Male gegen Amazon-Chef Jeff Bezos, der nebenbei Besitzer der Hauptstadtzeitung "Washington Post" ist, die mit der Politik des Präsidenten regelmäßig hart ins Gericht geht. Der Kampf um die Zukunft von Big Tech hat gerade erst begonnen.

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Investor-Info

Facebook
Treue Kundschaft


Trotz diverser Datenskandale bleiben Nutzer und Werbekunden Facebook treu. Umsatz und Besucherzahlen stiegen im ersten Quartal stärker als von Analysten erwartet. Im ­anstehenden Präsidentschaftswahlkampf wird Facebook unter besonderer Beobachtung stehen, weil 2016 über das Netzwerk viele falsche Nachrichten verbreitet wurden. Der Trend im operativen Geschäft spricht dennoch weiter für die Facebook-Aktie.

Amazon
Starkes Gewinnwachstum


Rund die Hälfte des operativen Gewinns von Amazon kam im ersten Quartal aus der Cloud-Sparte AWS. Die Wachstumsstory ist intakt. Besonders wichtig: Mittlerweile setzt Amazon seine Größe auch in Profite um. Analysten trauen dem Konzern jährliche Gewinnsteigerungen von rund 30 Prozent zu. Das sollte an der Börse wichtiger sein als mögliche Wahlkampfattacken von Trump gegen Amazon-Chef Bezos. Kaufenswert.

Alphabet
Enttäuschung verkraften


Google, Youtube, Gmail oder auch Android gehören zum Konzern. Eine Herauslösung einzelner Geschäftsbereiche könnte Alphabet verkraften. Das derzeit drängendere Problem für die Aktie liegt im Tagesgeschäft: Der Umsatz im ersten Quartal lag unter Analysten­erwartung. Das schürt Bedenken, dass der Konzern angesichts wachsender Konkurrenz im Werbegeschäft an Tempo verliert. Ein schlechtes Quartal aber ist noch kein Trend. Anleger sollten investiert bleiben. Halten.