Ein ungewöhnliches Weihnachtsfest dürfte bevorstehen: Nachdem in den vergangenen Jahren häufig unzählige Elektronikartikel wie Spielekonsolen, Smartphones, Laptops und Tablets unter dem Weihnachtsbaum gelegen hatten, könnten in diesem Jahr genau diese Geräte aufgrund der Chipknappheit fehlen. Laut Medienberichten hat beispielsweise Apple die iPad-Produktion gedrosselt, um stattdessen die Halbleiter in die neuen iPhones 13 einbauen zu lassen.

Allerdings sind nicht nur Chips, sondern auch eine Reihe von Materialien und Rohstoffen knapp, was die deutsche Industrie massiv belastet. Laut einer Umfrage des Münchener Ifo-Instituts ist zwar der Anteil der Unternehmen, die einen Materialmangel beklagen, im Oktober um sieben Prozentpunkte auf 70,4 Prozent gesunken. "Von einer Entspannung kann aber nicht gesprochen werden", sagte Klaus Wohlrabe, Leiter der Abteilung Umfragen des Ifo-Instituts. "Insbesondere weil die Firmen erwarten, dass die Engpässe bis weit ins neue Jahr bestehen bleiben." Eine der am stärksten betroffenen Branchen ist die Autoindustrie, 88,1 Prozent der Firmen berichten von Problemen bei der Materialbeschaffung. Dabei gehen die Unternehmen davon aus, dass die Lieferengpässe 9,6 Monate andauern werden. Verursacht werden die Probleme, weil viele Produkte aufgrund des zwischenzeitlichen Lockdowns, gerade in Asien, nicht hergestellt werden konnten, während es gleichzeitig in vielen Häfen enorme Staus gibt.

Konzentration auf Profitabilität

Umso mehr dürften sich Investoren weiterhin auf jene Unternehmen aus dem Autosektor, wie Daimler, fokussieren, die mit dem herausfordernden Umfeld besser zurechtkommen als die Konkurrenz. Zwar ist der Absatz des weltgrößten Premiumherstellers im dritten Quartal um 25 Prozent gesunken. Allerdings ist der Umsatz mit 40,1 Milliarden Euro stabil geblieben, zumal sich der Konzern verstärkt auf die teuren Topmodelle wie die S-Klasse sowie auf Elektroautos fokussiert hat. Zudem ist der bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) um vier Prozent auf 3,6 Milliarden Euro gestiegen.

Vorstandschef Ola Källenius geht zwar davon aus, dass der Pkw-Absatz im Gesamtjahr "leicht" unter dem Vorjahresniveau liegen wird. Allerdings soll die Sparte Mercedes-Benz Cars & Vans eine bereinigte operative Marge von zehn bis zwölf Prozent erwirtschaften - der beste Wert seit Jahren. Zugute kommt dem Konzern, dass er die Fixkosten gegenüber 2019 um 15 Prozent gesenkt hat. Zudem will sich Källenius auch künftig verstärkt auf die Profitabilität konzentrieren.

Hohe Investitionen in Elektrifizierung

Beim Massenhersteller Ford ist zwar der Umsatz im dritten Quartal um fünf Prozent auf 35,7 Milliarden Dollar gesunken, das lag allerdings weit über den 26,8 Milliarden Dollar des üblicherweise größeren Rivalen General Motors. Zudem hat Ford im wichtigen nordamerikanischen Markt eine operative Marge von 10,1 Prozent erwirtschaftet. Vorstandschef Jim Farley hat daher die Jahresprognose für das bereinigte Ebit auf 10,5 bis 11,5 Milliarden Dollar erhöht. Der Konzern erfreut sich starker Nachfrage nach seinem Mustang Mach-E SUV und baut damit das Geschäft mit Elektroautos zügig aus. Der Firmenlenker will bis 2025 rund 30 Milliarden Dollar in die Elektrifizierung investieren.

Der großen Knappheit an Neufahrzeugen stemmt sich der größte US-Autohändler Autonation entgegen. Er hat im dritten Quartal den Umsatz um 18 Prozent auf den Rekord von 6,4 Milliarden Dollar gesteigert. Während die Verkaufserlöse von Neuwagen mit 2,8 Milliarden Dollar stabil geblieben sind, schossen jene von gebrauchten Fahrzeugen um mehr als 50 Prozent auf 2,3 Milliarden Dollar nach oben, während auch das Geschäft mit Ersatzteilen brummte. Für Zuversicht bei Investoren sorgt zudem der neue Vorstandschef Mike Manley. Er war zuvor Chef des Nordamerikageschäft des weltweit viertgrößten Autobauers Stellantis.

Margenprognose erhöht

Hingegen ist das Umfeld für viele Halbleiterfirmen weiterhin prächtig, wie die Zahlen von Infineon zeigen. Der Chiphersteller hat im Fiskaljahr 2020/21, das im September endete, den Umsatz um 29 Prozent auf den Rekord von 11,1 Milliarden Euro gesteigert, 40 Prozent davon stammen aus dem Autobereich. Vorstandschef Reinhard Ploss will im laufenden Fiskaljahr den Erlös auf 12,2 bis 13,2 Milliarden Euro nach oben schrauben, in der Mitte der Spanne wäre das ein Plus von rund 15 Prozent. "Wir investieren deutlich mehr, um die Wachstumschancen zu nutzen", sagte Ploss. Die Investitionen sollen auf rund 2,4 Milliarden Euro zulegen, gegenüber 1,6 Milliarden im Vorjahr. Der Vorstandschef hat zudem die Prognose für die operative Marge um einen Prozentpunkt auf rund 21 Prozent angehoben.

Gut sind die Aussichten auch für die europäischen Wettbewerber NXP Semiconductors und STMicroelectronics. Der niederländische Konzern NXP hat den Umsatz im dritten Quartal um 26 Prozent auf 2,9 Milliarden Dollar gesteigert. Dem Unternehmen kommt seine breite Aufstellung zugute, rund die Hälfte des Umsatzes stammt aus dem Autosektor, zudem insgesamt mehr als 20 Prozent aus den Bereichen Industrie und Internet der Dinge (IoT), den Rest machen Chips für mobile Geräte und Telekominfrastruktur aus.

Der französisch-italienische Wettbewerber STMicroelectronics investiert ebenfalls in die Erhöhung der Kapazitäten, um die starke Nachfrage bewältigen zu können. Vorstandschef Jean-Marc Chery hat die Umsatzprognose für das Gesamtjahr leicht angehoben, was einem Wachstum von 23,3 Prozent entspricht. Er erwartet, dass Chips zur Verbesserung der Ladefähigkeit von Batterien für Elektroautos bereits 2024 und damit ein Jahr früher als geplant Umsätze von bis zu einer Milliarde Dollar beisteuern werden.

Glänzender Ausblick

Prächtig laufen auch die Geschäfte beim US-Konzern AMD. Laut Experten sind etliche Produkte des Herstellers von Mikroprozessoren besser als jene des Branchenprimus Intel, weshalb AMD ihm deutlich Marktanteile abnimmt. Wachstumsmotor ist das Geschäft mit Prozessoren für Rechenzentren. Für einen Kurssprung hat gesorgt, dass der Konzern mit Meta Platforms einen neuen Kunden gewonnen hat. Meta wird die Serverprozessoren von AMD in seinen Rechenzentren einsetzen. AMD-Cefin Lisa Su hat für das dritte Quartal Rekordzahlen gemeldet und prognostiziert für das Gesamtjahr ein Umsatzwachstum von bis zu 65 Prozent. Das Umfeld sollte auch 2022 stark sein.

Der weltgrößte Anbieter von Smartphone-Chips Qualcomm hat deren Produktion auf mehrere Auftragsfertiger verteilt und damit die Verfügbarkeit deutlich verbessert. Daher ist der Umsatz im vergangenen Quartal um mehr als 40 Prozent nach oben geschossen, während die Erlösprognose für das laufende Quartal deutlich über den Schätzungen der Analysten lag. Vorstandschef Cristiano Amon hat die Abhängigkeit vom Smartphone-Bereich verringert, indem Chips für Autos und andere Anwendungen, wie IoT, verkauft werden. Das eröffnet zusätzliche Wachstumsmöglichkeiten. Ab Seite 14 finden Sie weitere Unternehmen, die in der Mangelwirtschaft prosperieren.

 


Auf einen Blick


Begonnen hatte alles mit einem Mangel an Chips. Inzwischen klagen viele Industriefirmen aber auch über eine Knappheit an Materialien und Rohstoffen wie Holz. Das schlägt zusehends auch auf den Einzelhandel durch. Die Folge sind kräftige Preissteigerungen.