Herr Ohme, der deutsche Leitindex DAX wird im September von 30 auf 40 Werte ausgeweitet. Die zehn Neulinge werden aus dem Nebenwerteindex MDAX aufsteigen. Ist diese Reform eine Aufwertung für den DAX?
Auf jeden Fall eine Aufwertung. Der DAX wird in Zukunft rund 80% der Marktkapitalisierung des deutschen Aktienmarktes abdecken und so die deutsche Wirtschaft relativ gut repräsentieren. Unter den Aufsteigern werden auch einige neue Branchen sein, weshalb der DAX etwas breiter aufgestellt sein wird. Im Fall eines Aufstiegs von Siemens Healthineers und Sartorius würden zwei Unternehmen aus dem Medizin- und Gesundheitsbereich in den DAX kommen. Steigen auch Zalando und Hello Fresh auf, würde der Bereich E-Commerce gestärkt. Mit Airbus und Porsche würden eher klassische Sektoren ergänzt, aus den Bereichen Industrie und Automobil. Insgesamt dürfte sich die Branchenstruktur des DAX gemäß der aktuellen Markteinschätzung aber gar nicht so gravierend ändern. Außerdem handelt sich beim Großteil der Neulinge um eher kleine Werte. Im DAX würden sie nach jetzigem Stand rund 17 Prozent an Gewicht ausmachen.

Dafür verliert der MDAX einiges an Substanz, oder? Schließlich stammen die Aufsteiger aus diesem Index der mittelgroßen Werte, der im Zuge der Reform im September von 60 auf 50 Titel schrumpft. Ist das nicht eine klare Abwertung?
Das kann man so sehen, denn die Aufsteiger machen momentan rund 41 Prozent der Marktkapitalisierung des MDAX aus. Der Nebenwerteindex wird seine Schwergewichte verlieren und damit vermutlich deutlich an Liquidität einbüßen. Das macht ihn für internationale Investoren weniger interessant. Die Deutsche Börse als Indexanbieter wird sich das gut überlegt haben. Denn gleichzeitig dürfte der DAX wichtiger für internationale Anleger werden, da er größer, breiter aufgestellt und noch liquider wird. Wenn man deutsche Aktien für internationale Investoren insgesamt attraktiver machen will, erscheint mir die Umstellung aus meiner Sicht unter dem Strich sinnvoll.

Ihr Fonds, der DWS ESG Investa, investiert schwerpunktmäßig in DAX-Aktien. Mit der Ausweitung des DAX vergrößert sich auch Ihr Anlageuniversum. Damit betrifft Sie die Indexumstellung direkt, oder?
Ja, aber längst nicht so gravierend wie andere Fonds, die den DAX eins zu eins abbilden. Die müssen am Stichtag, dem 21. September, tatsächlich von heute auf morgen viele neue Aktien in ihr Portfolio nehmen und andere verkaufen. Beim DWS ESG Investa ist das nicht der Fall, dies wird ein gleitendender Übergang. Wir müssen nicht zwingend jeden Aufsteiger im Fonds haben. Außerdem ist für uns bei der Definition eines Standardwertes der Börsenwert seit jeher entscheidender als die Indexzugehörigkeit und einige MDAX-Aktien sind schon jetzt größer als kleine DAX-Werte. Wir investieren zudem zwar hauptsächlich in DAX-Aktien, können aber im DWS ESG Investa auch einen kleinen Anteil Nebenwerte beimischen.

Aber meistens als kleine Positionen. Werden die Titel künftig eine größere Rolle im Fonds spielen?
Selektive Aufstockungen sind durchaus möglich - schon allein, weil wir im Vergleich zum DAX bei einigen Unternehmen, die wir schon länger gut finden, nach der Reform untergewichtet sein werden.

Der 1956 aufgelegte DWS Investa wurde letztes Jahr als ESG-Fonds deklariert, der beim Investieren auch ethische und ökologische Kriterien beachtet. Wie kam es zu der Entscheidung?
Bei der DWS haben wir ESG zum Kern unseres Handelns gemacht. Gleichzeitig kamen wir dem verstärkten Kundenwunsch auf eine nachhaltige und verantwortungsbewusste Geldanlage nach.

Haben Sie denn bei der Entscheidung auch Aktien aus dem Fonds geworfen?
Natürlich bringt eine Umstellung auf ESG auch Änderungen im Portfolio mit sich. Nicht ESG-konforme Unternehmen schließen wir bei dedizierten ESG-Fonds aus.

Der größte Aufsteiger aus dem MDAX wird Airbus sein. Der Konzern ist mit rund 90 Milliarden Euro Börsenwert schon heute größer als die meisten DAX-Aktien. In den DAX-ETFs wird Airbus ab September einen vorderen Platz einnehmen, viele Fonds für deutsche Aktien investieren schon heute in das Unternehmen. Im DWS ESG Investa war Airbus laut Halbjahresbericht hingegen nicht. Liegt das daran, dass das Unternehmen auch Kampfflugzeuge und Waffensysteme herstellt und deshalb durch den ESG-Filter des Fonds fällt?
Grundsätzlich dürfen wir Einzeltitel nicht kommentieren.

Ok, Schade. Es heißt immer wieder: Wenn ein Unternehmen in einen größeren Index aufsteigt, profitiert davon im Vorfeld der Aktienkurs, weil mehr ETFs und Fonds die Aktie kaufen. Haben Sie so einen Kurseffekt bei den potenziellen DAX-Aufsteigern schon festgestellt?
Viele von ihnen sind in den letzten Monaten jedenfalls sehr gut gelaufen. Das kann zum einen am möglichen Indexaufstieg liegen. Zum anderen werden aber auch jene Aktien potenzielle Aufsteiger, deren Kurse wegen guter Geschäftsentwicklung stark gestiegen sind und die nun einen hohen Börsenwert haben. Wir haben hier ein klassisches Henne-Ei-Problem: Hat jetzt die Perspektive auf den Aufstieg zum Kursanstieg geführt? Oder doch die guten Geschäftszahlen zum Kursanstieg und damit zur Perspektive auf den Aufstieg? Am Ende spielt sicher beides eine Rolle.

DWS Investa: Die 1956 gegründete DWS Investa (ISIN: DE0008474008) ist einer der ältesten Fonds für deutsche Aktien. Fondsmanager Christoph Ohme investiert derzeit rund 85 Prozent des 4,1 Milliarden Euro großen Portfolios in Aktien großer deutscher Konzerne, die mehr als zehn Milliarden Euro Börsenwert haben. Die meisten davon stammen aus dem deutschen Leitindex DAX, unter den größten Positionen des Fonds finden sich SAP, Linde, Allianz, Siemens, BASF, die Deutsche Post, Infineon, Adidas und BMW. Aber Ohme kann auch ein paar kleinere Nebenwerte beimischen, weshalb einige MDAX-Werte, die durch die Erweiterung im DAX landen dürften, bereits im Fonds sind. So ist der DWS Investa laut Halbjahresbericht vom März zum Beispiel in Beiersdorf, Hello Fresh, Puma, Siemens Healthineers oder Zalando investiert, die als potenzielle Aufsteiger gelten. Wer genau vom MDAX in den DAX kommt, gibt die Deutsche Börse am 3. September bekannt, die Umstellung selbst erfolgt dann am 20./21. September. Der DWS Investa lieferte in den vergangenen fünf Jahren rund 45 Prozent Gewinn, in den letzten zwölf Monaten brachte er 25 Prozent Plus.

Das ist ähnlich viel wie der DAX. Dafür bietet der Investa in einem anderen Bereich einen Mehrwert: 2020 wurde in einen ESG-Fonds umdeklariert, der auch ökologische und ethische Kriterien in der Geldanlage berücksichtigt und einige umstrittene Geschäftsmodelle ausschließt. So ist zum Beispiel der Kohlestromproduzent RWE nicht im Fonds. Auch an Airbus - mit rund 90 Milliarden Euro Börsenwert der größte Aufsteiger im Zuge der DAX-Reform - hielt der Investa laut Halbjahresbericht keine Anteile. Der Flugzeugbauer betreibt eine große Rüstungssparte und stellt unter anderem Kampfflugzeuge und Raketensysteme her.