Rainer Schaller kam 1969 in Bamberg zur Welt. Sein Vater arbeitete bei Siemens, seine Mutter führte einen Lebensmittelladen. Er besuchte das Gymnasium, war aber ein schlechter Schüler - im Gegensatz zu seinem Bruder Gerd, der später gleichzeitig Medizin und Musik studierte und heute ein bekannter Dirigent ist. Rainer Schaller verließ nach der zehnten Klasse die Schule, um eine Lehre als Einzelhandelskaufmann bei Edeka zu beginnen.

Schon früh begeisterte er sich fürs Bodybuilding und trainierte bereits mit 15 viermal pro Woche an den Fitnessgeräten, die er im Keller der elterlichen Wohnung untergebracht hatte. Sein Vorbild: Arnold Schwarzenegger. Nach zehn Jahren bei Edeka war er mit 27 Chef von vier Märkten. Es war eine harte Zeit, mit Wochenarbeitszeiten von kaum unter 100 Stunden. "Ich bin um drei Uhr aufgestanden, auf den Markt gefahren und habe Obst und Gemüse gekauft. Dann habe ich das bis acht Uhr in den Märkten verteilt", erzählte er dem "Handelsblatt". "Um zehn Uhr habe ich eine Stunde geschlafen. Und dann in der Mittagspause die Leute abgelöst - an der Kasse, in der Bäckerei, in der Metzgerei."

Nach Ladenschluss arbeitete er noch weiter, bis 20 oder 21 Uhr. Anschließend folgte das Fitnesstraining. Auf dem Dachboden seiner Wohnung hatte er eine illegale "Muckibude" eingerichtet, mit Geräten, die er einem bankrotten Studiobetreiber abgekauft hatte. Dort durften seine Kumpels für 15 Mark pro Monat trainieren. Allerdings gab es weder eine Toilette noch eine Umkleidekabine.

Mit der Zeit hatte Schaller den Spaß an der Lebensmittelbranche verloren. Er suchte eine neue Herausforderung. 1997 eröffnete er in Würzburg in einer 700 Quadratmeter großen alten Möbelhalle sein erstes McFit-Studio. Die Halle hatte er zusammen mit einem Handwerker selbst renoviert. Die Fitnessgeräte waren alle gebraucht. Sein Investment betrug rund 150 000 Mark. Dafür hatte er einen seiner Edeka-Märkte verkauft, Banken wollten ihm kein Geld leihen, auch nicht seine Eltern, die ihn für verrückt hielten und ihm sogar mit Enterbung drohten. Personal konnte Schaller sich nicht leisten.

Es war eine One-Man-Show: gleichzeitig Trainer, Buchhalter, Inkassounternehmer, Putzkraft, Empfangschef, Nachtwächter. Während der ersten eineinhalb Jahre schlief er im Studio auf einem Stockbett, eine eigene Wohnung hatte er nicht - aber schon damals ein gutes Gespür für Marketing: Sein Studio pries er auf den Werbeflyern mit dem Slogan "McFit - jetzt auch in Würzburg" an. So, als sei sein Studio Teil einer riesigen amerikanischen Fitnesskette, die jetzt auch nach Unterfranken komme. "Einfach gut aussehen", lautete das Versprechen von McFit. Das Maskottchen: eine Banane mit Turnschuhen.

Weg vom Schmuddelimage

Anfang der 90er-Jahre gab es in der Branche noch viele Player aus der Rotlichtszene oder ehemalige Bodybuilder. Die Studios waren klein und auf das Thema Kraftsport ausgerichtet. Fitness war eine Randsportart und galt für die Betreiber als wenig lukrativ. "Ich wollte der Aldi der Fitnessbranche werden und die Nummer 1 in Europa. Ich hatte keine Ahnung, wie ich da hinkomme, aber ich habe einfach angefangen", gab Schaller später zu. Sein Konzept: ein Fitnessstudio für die Zielgruppe 15 bis 35, das 24 Stunden am Tag geöffnet hat, mit einem Kampfpreis von 16,90 Euro pro Monat, spartanisch eingerichtet, ohne teuren Wellnessbereich, ohne Pool, Solarium oder Kurse. Fünf Minuten duschen kostete 50 Cent extra.

Wie kam Schaller auf die Marke McFit? Eigentlich per Zufall. Nach drei langen Sitzungen unter Mithilfe einer Werbeagentur hatte er noch immer keine zündende Idee. "Da sagte meine damalige Freundin beiläufig: ‚Nehmt doch McFit‘. Und das taten wir dann auch."

Viele in der Branche sahen damals auf McFit herab: eine Unterschichtenmuckifabrik ohne Flair, ein Billigheimer mit Proll-Image und ohne Zukunft. Tatsächlich stand McFit anfänglich jahrelang auf der Kippe. "Die ersten drei Jahre waren sehr hart", sagt Schaller im Rückblick. "Da bin ich ein paarmal knapp am Ruin vorbeigeschrammt." Aber bald war der Platz in Würzburg zu eng - glücklicherweise war die Halle neben dem Studio frei.

Ende der 90er-Jahre expandierte Schaller erst innerhalb Bayerns, später auch ins Ruhrgebiet. "Der Durchbruch gelang im Ruhrgebiet", so Schaller. "Das ist der größte Ballungsraum in Deutschland. Als es 2001 in Bochum und Oberhausen funktionierte, da wusste ich: Es klappt." 2006 wurde McFit mit über 400 000 Mitgliedern die größte Fitnesskette Deutschlands. Im Jahr darauf übernahm der Geschäftsmann den Hauptkonkurrenten Fit24, und 2011 erfüllte sich seine Vision, mit der er 1997 gestartet war: Er wurde zum Boss der größten Kette Europas.

Inzwischen hat er eine riesige Pent- housewohnung im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg - ausgestattet natürlich mit einem eigenen Fitnessstudio. Dort schaut er mit seinen Kumpels Fußball, mit den Klitschko-Brüdern ist er per Du. Er liebt die Herausforderung, selbst im Urlaub, und reist zusammen mit Freunden gern in Gegenden, in denen sonst kein Tourist zu finden ist. "Auf den Touren haben wir schon wilde Sachen erlebt: In Pakistan wurden wir von den Taliban verfolgt, und in Tibet musste ich mir bei den Behörden einen tibetanischen Führerschein besorgen." Im Sommer 2018 fuhr er mit einem VW-Bus in drei Wochen von Katmandu in Nepal nach Bangkok.

Großes Projekt

Schallers nächstes Projekt ist das größte Fitnessstudio der Welt, das 2022 in Oberhausen im Ruhrgebiet auf der gigantischen Fläche von über 50 000 Qua- dratmetern eröffnet werden soll. Es heißt "The Mirai" (japanisch für "Zukunft") und wird zusammen mit Partnern wie Universitäten und Krankenkassen betrieben: "Alles rund um Fitness unter einem Dach, alles, was man sich vorstellen kann an Training, Forschung und Entwicklung, Ausbildung, Fachmesse, Shopping und Gastronomie", sagt Schaller. Die Kunden trainieren kostenlos, dafür darf McFit die Daten der Nutzer auswerten.

In die Schlagzeilen geriet der bis zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch recht unbekannte Unternehmer im Juli 2010, als bei der Loveparade in Duisburg 21 Menschen starben. Seit 2006 war Schaller mit der Firma Lopavent für die Organisation des Techno-Massenspektakels zuständig. Er wurde nicht angeklagt, gibt aber zu, dass er als Geschäftsführer der Veranstaltungsfirma eine moralische Schuld trage. Die Katastrophe habe ihn verändert. "Ich bin nachdenklicher. Ich habe bei verschiedenen Religionen Antworten gesucht, war in Tibet, in Indien und in muslimischen Ländern. Aber ich habe bis heute noch keine Antwort gefunden."