Neue Konzernstruktur, Q3-Zahlen und der größte Kursrutsch der Aktie seit sechs Monaten: Siemens steht am Donnerstag klar im Fokus der Analysten und Anleger. "Unser globales Team lieferte ein starkes Quartal", sagte Vorstandschef Joe Kaeser am Donnerstag in München. Der Technologiekonzern übertraf mit dem Ergebnis von 2,2 Milliarden Euro aus dem Industriegeschäft im dritten Quartal nicht nur den Vorjahreswert um zwei Prozent, sondern auch die Erwartung der Analysten. Der Auftragseingang zwischen April und Juni legte um 16 Prozent auf 22,8 Milliarden Euro zu. Ohne den schwachen Dollar wäre der Ordereingang um 21 Prozent angestiegen. Der Umsatz ging dagegen um vier Prozent auf 20,5 Milliarden Euro zurück. Ursache hierfür waren laut dem Unternehmen ungünstige Wechselkurse.

Vor allem in der Sparte "Digitale Fabrik" boomte das Geschäft. Hier steigerte Siemens das operative Ergebnis um 54 Prozent auf 681 Millionen Euro. Das Unternehmen profitierte dabei besonders vom starken Auftragswachstum in den USA und Deutschland sowie der anhaltend hohen Nachfrage in China.

Weiter unter Druck blieb indes das Geschäft mit der konventionellen Energie- und Gasindustrie. Den Auftragseingang konnte Siemens zwar durch einige Großaufträge in Israel und England um 42 Prozent steigern, dennoch verzeichnete der Industriekonzern ein Umsatzminus von 21 Prozent. Im Vorjahr hatte Siemens höhere Erlöse aus Großaufträgen in Ägypten verbuchen können. Die globalen Energietrends würden weiterhin auf die allgemeine Nachfrage an den Märkten drücken. Daraus resultiere ein zurückgehendes Neuanlagengeschäft bei großen Turbinen und ein entsprechender Preisdruck aufgrund struktureller Überkapazitäten und aggressiven Wettbewerbsverhaltens, wie Siemens am Donnerstag mitteilte. Das Ergebnis der Sparte brach um mehr als die Hälfte auf 164 Millionen Euro ein.

Unterm Strich gab der Gewinn um 14 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro nach. Zur Begründung verwies der Konzern auf die deutlich gestiegenen Ertragssteuern. Für das am 30. September auslaufende Geschäftsjahr soll der Umsatz leicht steigen. Die operative Umsatzrendite im Industriegeschäft erwartet Siemens zwischen elf und zwölf Prozent. Nach neun Monaten lag sie mit 10,9 Prozent knapp unter der Zielmarke. Im Vorjahr betrug sie zum vergleichbaren Zeitpunkt 11,7 Prozent.

Konzernumbau: Aus Fünf mach Drei



Kaeser bereitet Siemens mit einem erneuten Konzernumbau auf die Zeit nach seinem Abschied vor. Aus den bisher fünf Industriesparten sollen bis zum 31. März 2019 drei eigenständige Unternehmen werden. Kern der Unternehmensstrategie "Vision 2020+" sei es, den einzelnen Geschäften deutlich mehr unternehmerische Freiheit zu geben und damit den Fokus auf die jeweiligen Märkte zu verschärfen, wie der Konzern am Mittwochabend nach einer Aufsichtsratssitzung ankündigte. Damit sollen die einzelnen Sparten mittelfristig stärker wachsen und mehr Rendite abwerfen.

Vorläufer des Umbaus war das im Jahr 2014 initiierte Strategieprogramm "Vision 2020", welches bereits größtenteils abgeschlossen ist - erfolgreicher und schneller als von Siemens geplant. "Die Zeiten, in denen wir Projektgeschäft-, Produkt-, Software- und Dienstleistungsunternehmen mit ihren unterschiedlichen Anforderungen zentral und effizient steuern konnten, sind vorbei", sagte CEO Kaeser. Deshalb tritt zum neuen Geschäftsjahr am 1. Oktober 2018 die neue Struktur in Kraft.

Die drei neuen Sparten - aufgeteilt in Energie- und Gasgeschäft, Gebäudetechnik und Netze und Digitale Industrie - sollen nicht aus München geführt werden.



Das Aushängeschild Digitale Industrie wird mit der Übernahme des App-Entwicklers Mendix für 600 Millionen Euro ausgebaut. Dessen Produkte sollen Siemens Industriekunden helfen, deutlich schneller und kostengünstiger eigene Apps zu entwickeln. Die Abwicklung der Transaktion wird für das erste Quartal des Geschäftsjahres 2019 erwartet.

Die Medizintechnik-, Windkraft- und Zugsparte hatte Kaeser bereits ausgegliedert. Siemens-Töchter Siemens Healthineers und Siemens Gamesa sind schon an der Börse notiert. Die Zugsparte soll nach der Fusion mit Alstom folgen.

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Einschätzung der Redaktion



Die Siemens-Aktie steht unter Druck. Anleger hatten nach den Zahlen dem Papier den Rücken gekehrt, woraufhin die Aktie bis zum Nachmittag um fast fünf Prozent auf 114,04 Euro einbrach und am DAX-Ende notierte. Das war der größte Kursrutsch bei Siemens seit sechs Monaten. Einige Marktteilnehmer hatten auf eine Anhebung der Prognose für das Ergebnis je Aktie gesetzt. Dies blieb aus, Siemens rechnet weiterhin mit 7,70 bis 8,00 Euro. Belastend waren zusätzlich Aussagen von Finanzvorstand Ralf Thomas, wonach sich die Investitionsbereitschaft wegen der weltweiten Handelskrisen eintrüben könnte.

Charttechnisch betrachtet sah die Siemens-Aktie in den vergangenen drei Monaten nach dem Kursrutsch Anfang des Jahres wieder vielversprechend aus. Nach den aktuellen Gewinnmitnahmen einiger Investoren ist jetzt aber Vorsicht geboten.

Seit dem Allzeithoch bei 133,50 Euro im Mai 2017 befindet sich die Aktie in einem übergeordneten Abwärtstrend. Derzeit konsolidiert das Papier.

Wichtig für die Aktie ist es nun, die 200-Tagelinie bei 113,50 Euro zu halten. Sollte diese Unterstützung fallen, setzt das Siemens-Papier den Abwärtstrend weiter fort und könnte bis auf 105 Euro zurücksetzen.

Gelingt dem Papier allerdings der Ausbruch über die Zone bei 121,50 und 122 Euro, stehen die Chancen gut, dass die Aktie in den nächsten Monaten das Allzeithoch erneut angreifen könnte.



Die Pläne für den Konzernumbau werten Analysten als positiv und sehen für Siemens auch in den kommenden Jahren Umsatzsteigerungen. Deshalb bleiben wir bei unserer Kaufempfehlung.

Empfehlung: Kaufen.

Zielkurs: 135 Euro

Stopp: 93 Euro