Nahezu undenkbare Worte zweier früherer Schlüsselfiguren aus dem Apple-Imperium: Steve Jobs’ Witwe und Design-Guru Jony Ive haben Apple in einem FT-Interview kritisiert.
Es ist ein Moment von seltener Symbolkraft im Silicon Valley – und womöglich der Anfang vom Ende einer Ära: Jony Ive, der legendäre Designer des iPhones, spricht im Interview mit der "Financial Times"öffentlich über sein Unbehagen gegenüber der heutigen Technologiewelt und über deren Schattenseiten. Gemeinsam mit Laurene Powell Jobs, der Witwe von Apple-Gründer Steve Jobs, sendet er eine klare Botschaft an die heutige Apple-Führung unter Tim Cook: „Humanity deserves better.“
"Die Menschheit verdient etwas Besseres": Es ist ein Satz, der sitzt – und der in Cupertino wie eine Ohrfeige wirken dürfte. Die Statements von Ives und Powell sind weit mehr als ein koordinierter Presseauftritt zu Ives Verkauf von LoveFrom an OpenAI. Es mutet tatsächlich wie ist ein kulturhistorischer Bruch an. Ive, der Mann hinter der ikonischen Ästhetik von iPhone, iMac und iPad, hat sich gewissermaßen abgewendet. Nicht nur von Apple, sondern auch vom Selbstverständnis einer Branche, die einst mit Idealismus und Designethos angetreten war und heute häufig vor allem für algorithmische Abhängigkeit, Aufmerksamkeitsökonomie und die mentale Krise einer Generation steht.
"Verdienen etwas Besseres" – Kritik aus dem Herzen des Apple-Imperiums
"Viele von uns haben heute ein schwieriges Verhältnis zur Technologie", sagt Ive weiter im Interview mit der "Financial Times". Die neue KI-Initiative, die er gemeinsam mit OpenAI-Chef Sam Altman vorantreibt, sei der Versuch, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Ein Versprechen für ein neues Zeitalter – ohne Bildschirm, ohne Ablenkung, aber mit maximalem Kontextbewusstsein: Ein Gerät, das man um den Hals tragen könne, kompakt wie ein iPod Shuffle, prognostiziert der viel beachtete Apple-Analyst Ming-Chi Kuo.
Es geht nicht nur um ein Produkt. Es geht um eine Rebellion – gegen das, was aus Big Tech und damit unausgesprochen auch aus Apple geworden ist. Die ungewohnten Statements kommen nicht zufällig zum jetzigen Zeitpunkt: Die iPhone-Absätze stagnieren, die KI-Offensive des Konzerns gilt vielen als verspätet, selbst loyalste Weggefährten wie Laurene Powell Jobs nehmen öffentlich Abstand. Sie verweist auf Studien über steigende Angststörungen bei Jugendlichen – mitverursacht durch die Technologie, die einst als Werkzeug der Befreiung gedacht war. „Das ist nicht das, was Technologie bewirken sollte“, sagt Powell Jobs. Doch genau das ist eingetreten.
Trennung mit Symbolcharakter: Ive, Powell Jobs, OpenAI – und der stille Abschied vom Apple-Modell
Noch bemerkenswerter als das, was gesagt wurde, ist das, was nicht gesagt wurde. Powell Jobs weicht dabei der Frage aus, ob das neue KI-Device mit Apple konkurrieren werde. Doch allein das Schweigen spricht Bände. Ihr Investmentvehikel Emerson Collective ist bei LoveFrom engagiert – der Designfirma von Ive, die kürzlich im Rahmen eines 6,4-Milliarden-Dollar-Deals von OpenAI übernommen wurde. Ive selbst übernimmt nun die kreative Leitung über die Fusion.
Ein Schulterschluss, der signalisiert: Die Erben von Steve Jobs suchen außerhalb von Apple nach der Zukunft. „Als ich damals ins Silicon Valley kam, traf ich auf Menschen, die wirklich glaubten, sie könnten der Menschheit dienen“, so Ive. Heute fehle ihm dieser Idealismus. Kein gutes Zeugnis für den einstigen Hoffnungsträger Apple – aus dem Munde des Mannes, der diesen Mythos mit aufgebaut hat.
Die späte Reue als Weckruf – warum Apple reagieren muss
Dass der Chefdesigner des iPhones heute sagt, er fühle „Mitverantwortung“ für die gesellschaftlichen Nebenwirkungen seiner Arbeit, zeigt eindrucksvoll: Das Nachdenken über Big Tech hat eine neue Phase erreicht. Es geht nicht mehr nur um Datenschutz, Bildschirmzeit oder App-Tracking. Es geht um ein ethisches Fundament, das bröckelt.
Und dass die Witwe von Apple-Gründer Steve Jobs nun – höflich, aber bestimmt – den iPhone-Konzern kritisiert, dokumentiert, dass Apple in eine neue, ungewisse Unternehmensphase eingetreten ist. Die Tim Cook-Ära geht auf die Zielgerade – und es steht dabei mehr denn je auf dem Spiel. Die Abwesenheit echter KI-Innovationen, die fehlende emotionale Vision, das Beharren auf einem schrumpfenden Hardware-Zyklus: All das macht den Techpionier verletzlicher denn je.
Wenn die Erben von Jobs Apple kritisieren, ist das mehr als ein Kulturbruch
Keine Frage: Tim Cook hat Apple zu einer Geldmaschine gemacht. Doch die versiegende Kreativität und Visionen haben ihren Niederschlag längst gefunden: Die Quartalszahlen stagnieren, Apple ist 2025 mit Abstand der größte Underperformer unter den „Magnificent Seven“. Jony Ive und Laurene Powell Jobs treten nun als moralische Instanzen auf, die den Kurs des Konzerns infrage stellen – nicht aus Opposition, sondern auch aus Loyalität zu einem anderen Apple.
Das neue KI-Gadget von Jony Ive bei OpenAI könnte jedermann zum Gamechanger werden – nicht technologisch allein, sondern kulturell. Denn es trägt die Botschaft: Tech kann anders sein. Und wenn diese Botschaft von genau jenen kommt, die das iPhone einst zur Ikone gemacht haben, dann ist das vielleicht der lauteste Weckruf, den Apple seit Jahren gehört hat.
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Hinweis auf Interessenkonflikte Der Vorstand und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Apple.
Hinweis auf Interessenkonflikte Der Autor hält unmittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Apple.