Journalisten drängten sich neben der Bühne, Fernsehkameras liefen, Blitzlichtgewitter von allen Seiten: Selten zuvor fand die Versteigerung einer deutschen Briefmarke so viel Aufmerksamkeit, wie an diesem 7. Oktober 2005 im Düsseldorfer Auktionshaus Felzmann geschehen. Spektakulär war auch der Zuschlag für das Stück, das die Schauspielerin Audrey Hepburn ("Frühstück bei Tiffany") zeigt. 135 000 Euro plus Aufgeld machten das 2001 gedruckte Exemplar zur weltweit teuersten Marke, die nach dem Zweiten Weltkrieg erschienen ist.
Knapp 14 Jahre später ist der Reiz verflogen. Gänzlich ohne Medienrummel kam dasselbe Postwertzeichen Ende Februar erneut zum Verkauf, diesmal beim Auktionshaus Christoph Gärtner im württembergischen Bietigheim-Bissingen. Auch das Ergebnis geriet eher schwäbisch sparsam. Nur 92 000 Euro plus Aufgeld war einem Käufer die Marke wert - ein Minus von knapp einem Drittel gegenüber 2005.

Das ist umso bemerkenswerter, als die Marke explizit als langfristige Kapitalanlage gedacht war. Käufer im Jahr 2005 war Gerd Bennewirtz, Gründer von SJB Fondsskyline und nach damaligen Angaben der einzige Vermögensverwalter in Deutschland, der auch in Postwertzeichen investiert. Bennewirtz sagte unmittelbar nach der Auktion: "Eine Kapitalsteigerung geschieht nicht über Nacht. Wir fordern von uns wie von unseren Kunden, den Anlagehorizont von mindestens fünf bis zehn Jahren zuverlässig beizubehalten." Nachdem Bennewirtz im November 2018 verstorben war, hatte SJB das Stück zur Versteigerung gegeben. Das Beispiel zeigt: Briefmarken als Geldanlage sind ein riskantes Geschäft. Dabei sind die Rahmenbedingungen seit Beginn der Finanzkrise gut. Die weltweite Niedrigzinspolitik und die Angst vor Inflation sorgten für einen Boom von Sachwerten, der viele Sammlerbereiche erfasste - etwa Kunst, Oldtimer und Wein. Dieser Aufschwung ging an Briefmarken aber weitgehend vorbei, zumindest was deutsche Ausgaben betrifft. Hier geht es sogar eher nach unten.

Der Markt schrumpfe, sagt Oskar Klan, Chefredakteur der einflussreichen "Michel"-Kataloge. "Ältere Sammler beenden ihre Tätigkeit, jüngere fangen nicht in der- selben Zahl an - oder man sieht es nicht mehr", erklärt Klan. Auch verschwänden Briefmarken im Zeitalter von Mail und automatischen Stempelmaschinen immer mehr aus dem öffentlichen Bewusstsein. "Niemand wird etwas sammeln, von dem er nicht einmal weiß, dass es existiert."
Aus seiner Sicht ist noch keine generelle Bodenbildung der Preise erkennbar. Immerhin gebe es bei manchen deutschen Spitzenwerten des 19. Jahrhunderts einen Aufwärtstrend. Eine Spezialkonjunktur erkennt der Chefredakteur bei Exemplaren aus Schwellenländern, namentlich aus Vietnam, Indien, den Golfstaaten und Russland, zudem aus den EU-Mitgliedsstaaten Polen und Rumänien.
Dieser Aufschwung bei Schwellenländern korrespondiert mit Untersuchungen, die der US-Investor Bill Gross angestellt hat. Gross, der sich mittlerweile ins Privatleben zurückgezogen hat, ist als Gründer der Investmentfirma Pimco und Manager des legendären Anleihefonds Pimco Total Return bekannt. Daneben ist er Philatelist und hat als Student die Preismuster bei Briefmarken recherchiert - angesichts des unübersichtlichen Datenmaterials damals ein schwieriges Unterfangen.

Eines des Ergebnisse: Der Wert korreliert auf lange Sicht mit Wirtschaftswachstum und Börsenentwicklung des jeweiligen Landes. Vulgo: Je reicher die Bewohner werden, desto mehr Geld stecken sie in Briefmarken.

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Ergebnis unter Schätzpreis



So gesehen sind Stücke aus den USA angesichts der vergleichsweise schwachen Konjunktur nicht gerade empfehlenswert. Das musste Gross im vergangenen Oktober erfahren, als er einen Teil seiner Kollektion versteigern ließ. Statt des erwarteten Erlöses von zehn Millionen US-Dollar kamen lediglich knapp neun Millionen zusammen. Ob Gross letztlich etwas verdient hat, ist allerdings unklar, da er seine Einkaufspreise nicht offengelegt hat.
Was für solche ausgesuchten Preziosen gilt, trifft umso mehr für Marken zu, die "normale" Sammler in ihren Alben haben. "Massenware ist billig und wird es immer bleiben", sagt Klan. Das gilt vor allem für Ausgaben, die in den vergangenen Jahrzehnten erschienen sind oder derzeit herausgegeben werden. Doch bestätigen Ausnahmen auch hier die Regel. Bestes Exempel ist die Hepburn-Marke. Entdeckt hatte sie ein Sammler im Jahr 2004 in einem Paket ausgeschnittener Marken, das nach Gewicht verkauft wurde.

Warum brachte ausgerechnet dieses Exemplar so viel Geld ein? Es ist offiziell nie erschienen. 2001 wollte die Deutsche Post bekannte Filmschauspieler ehren, unter anderem Hepburn. Es war schon die gesamte Auflage gedruckt, als zwei Kinder Hepburns die Genehmigung verweigerten. Begründung: Das Motiv mit Zigarettenspitze fördere gesundheitsschädliches Verhalten (immerhin war ihre Mutter an Krebs gestorben).
Daraufhin sollte der komplette Bestand eingestampft werden. Aber etliche Bögen waren an das Bundesfinanzministerium gegangen, das sie nicht zurückschickte. Offensichtlich wurden die meisten dieser Stücke unerkannt verbraucht. Fünf Exemplare tauchten im Laufe der Jahre gestempelt auf - unter anderem jenes, das nun erneut versteigert wurde. Es ist unter den Fünfen das einzige mit anhängenden Rändern, was den Wert zusätzlich steigert.

Daneben existieren mindestens dreißig ungebrauchte Stücke. So war ein Bogen mit zehn Marken an Sean Ferrer, einen Sohn Hepburns, gegangen. Er ließ ihn im Jahr 2010 für wohltätige Zwecke versteigern und erlöste 430 000 Euro. Anschließend wurde der Bogen zerteilt. 2017 brachte eines dieser ungebrauchten Einzelstücke 123 000 Euro plus Aufgeld ein. Nach all den Jahren ist die Aussicht gering, noch eine weitere Hepburn-Marke zu finden. In einem ähnlichen Fall stehen die Chancen besser. Die Post plante 2016 eine Ausgabe mit Christbaumkugel und dem Wort "Weihnachten" in verschiedenen Sprachen. Ein Teil der Produktion war schon ausgeliefert, als einige Fehler auffielen. So war das niederländische "Kerstfeest" mit kleinem Anfangsbuchstaben und einfachem statt doppeltem "e" geschrieben.
Die Marken wurden neu gedruckt und verteilt. Dem Rückruf der ursprünglichen Version kamen nicht alle Verkaufsstellen nach, offensichtlich wurden wiederum etliche unerkannt verkauft. Seitdem tauchen immer wieder Stücke auf, nach Angaben des Fachportals philaseiten.de sind es mittlerweile 43 gestempelte und zehn ungebrauchte.

Ein komplettes Blatt mit zehn selbstklebenden Marken wurde 2017 für 27 500Euro versteigert. Die Preise für die gestempelten variieren stark und liegen - je nach Zustand - zwischen 250 und 2000 Euro. Wer eine solche Marke findet (ein korrektes Exemplar ist in der Mitte dieser Seite abgebildet), sollte sich also umgehend an einen Händler oder ein Auktionshaus wenden.