Nvidias starke Quartalsbilanz wird an der Wall Street abverkauft. Ein Grund: Das China-Geschäft ist wegen des Chip-Exportverbots aktuell nicht existent. 

Das gewohnte Ausrufezeichen verfehlte dieses Mal seine Wirkung. Nvidia übertraf bei Vorlage seiner neusten Geschäftsbilanz fast standesgemäß die Erwartungen der Wall Street. . 54 Milliarden Dollar Umsatz im zweiten Quartal, 56 Prozent mehr als vor einem Jahr, steigende Margen und ein Ausblick, der auch ohne einen einzigen Dollar aus China neue Rekordmarken verspricht.

Allein: an der Börse löste der Paukenschlag diesmal keinen Freudentaumel aus. Im nachbörslichen Handel rutschte die Aktie um mehr als drei Prozent ab. Der Grund liegt nicht im Zahlenwerk, sondern in einem geopolitischen Patt, das die Fantasie der Investoren ausbremst.

Das China-Dilemma

Der weltweit zweitgrößte Markt für Künstliche Intelligenz liegt für Nvidia brach. Die speziell für China entwickelte, leistungsschwächere H20-Generation durfte monatelang nicht geliefert werden. Und als Washington den Bann lockerte – gegen eine 15-Prozent-Beteiligung der US-Regierung am Umsatz – reagierte Peking mit einer eigenen Blockade. Aus Sorge vor Hintertüren und Kontrollmechanismen wurden chinesische Firmen offiziell gewarnt, amerikanische Chips zu meiden.

Das Ergebnis: Keine Verkäufe im abgelaufenen Quartal, keine Verkäufe in der laufenden Prognose. Dabei geht es um einen Markt, den Jensen Huang selbst auf rund 50 Milliarden Dollar im Jahr taxiert – mit einem erwarteten Wachstum von 50 Prozent.

Blackwell Herzschlag der globalen KI-Infrastruktur

Während China blockiert, überrollt der Rest der Welt Nvidia mit Bestellungen. Die neue Blackwell-Generation ist längst zum Herzschlag der globalen KI-Infrastruktur geworden. Hyperscaler von Amazon bis Microsoft sichern sich Kontingente, die Auftragsfertiger TSMC und Samsung arbeiten am Limit. „Blackwell ist die Plattform, die die Welt wollte“, sagte Huang – und liefert die Belege gleich mit: 600 Milliarden Dollar an weltweiten Investitionen in KI-Rechenzentren allein in diesem Jahr, Tendenz steigend.

Für die Wall Street ist klar: Selbst ohne China ist Nvidia in einer eigenen Liga. 54 Milliarden Dollar Umsatz in einem Quartal – ohne den zweitgrößten Markt der Welt – sprechen eine eindeutige Sprache.

Der politische Balanceakt - 50-Milliarden-Dollar-Potenzial 

Doch der Weg dorthin bleibt steinig. Huang war in diesem Sommer mehrfach im Weißen Haus, um über Exportregeln zu verhandeln. Trump zeigte sich offen für eine „entschärfte“ Version des Blackwell-Chips, während Kritiker in Washington vor einem Technologietransfer warnen, der Chinas Aufholjagd beschleunigen könnte.

Nvidia sitzt damit in einer heiklen Position: Als unangefochtener Technologieführer muss das Unternehmen einerseits regulatorische Grenzen einhalten, andererseits verhindern, dass chinesische Wettbewerber eigene Lösungen etablieren.

Im Conference Call mit Analysten machte Huang deutlich, dass er auch für China eine Perspektive sieht: Es gebe eine „reale Möglichkeit“, die Blackwell-Chips in einer regulierungskonformen Version in den chinesischen Markt zu bringen. Eine solche Öffnung wäre nicht nur ein geopolitisches Signal, sondern auch ein gewaltiger Umsatzhebel. Denn schon jetzt schätzt Huang das Potenzial in China auf 50 Milliarden Dollar – mit jährlichen Wachstumsraten, die den Rest der Welt in den Schatten stellen könnten.

Wall Street bleibt optimistisch

Die meisten Analysten lassen sich von den geopolitischen Schlagzeilen ohnehin nicht beirren. Im Vorfeld der Quartalsbilanz haben viele großen Wall-Street-Häuser ihre Kursziele erhöht. Von 200 Dollar bei Goldman Sachs bis zu 250 Dollar bei Loop Capital reicht die Spanne der Optimisten. Entscheidend ist für sie nicht, was fehlt, sondern was schon da ist: ein Markt, der ohne China auf Rekordkurs läuft, Free-Cashflow-Margen, die weiter steigen, und ein strukturelles Wachstum, das noch Jahre anhalten dürfte.

Nvidia steht damit für eine paradoxe Stärke: der wertvollste Konzern der Welt, der die Zukunft gestaltet, selbst wenn ihm einer der größten Märkte der Welt versperrt bleibt. Der Tag, an dem diese Tür wieder aufgeht, könnte der nächste Impuls-Moment für die heiß gelaufene Aktie sein, die in den vergangenen drei Jahren um mehr als 1000 Prozent zulegte. 

Für Investoren bleibt die Ausgangslage nach dem Traumlauf der vergangenen fünf Monate, in dem sich die Arie mehr als verdoppelte, damit zweischneidig. Wer auf kurzfristige Impulse aus China setzt, muss möglicherweise weiter Geduld aufbringen. Doch wer das große Bild sieht, erkennt einen Konzern, der trotz aller politischen Reibungen zur Schaltzentrale des globalen KI-Booms geworden ist. 

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Und: Wer vor 10 Jahren 10.000 Dollar investierte, hätte so viel mit Nvidia, Bitcoin & Co. verdient

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Nvidia (WKN: 918422)

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