Preise für Wohn- und Gewerbeimmobilien sind weiter rückläufig. Mittlerweile sind auch Ballungszentren betroffen. Was das für Immobilienaktien bedeutet.

Der Preisverfall auf dem Markt für Gewerbe- und Wohnimmobilien schreitet voran. Immobiliengesellschaften müssen deshalb weitere Wertverluste in ihren Portfolios hinnehmen.

So rechnet die auf Gewerbeimmobilien spezialisierte Hamborner Reit mit einem Rückgang des Verkehrswerts ihres Portfolios zum 30. Juni im Vergleich zu Ende 2022 von 5,5 bis sechs Prozent. Der SDAX-Konzern senkte gleichzeitig die Jahresprognose für den sogenannten Nettovermögenswert (NAV) je Aktie. Statt eines leichten Rückgangs soll der NAV zum 31. Dezember nun um sieben bis zwölf Prozent unter dem Vorjahreswert liegen.

Unterdessen sind nach Angaben des Statistischen Bundesamts die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland im ersten Quartal mit 6,8 Prozent zum Vorjahresquartal so stark gefallen wie noch nie seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000. Ausschlaggebend sei die gesunkene Nachfrage als Folge höherer Finanzierungskosten und der anhaltend hohen Inflation, erklärte die Behörde.

Der Vorstandschef der Staatsbank KfW, Stefan Wintels, rechnet jedoch nicht mit einem deutlichen Rückgang der Immobilienpreise. „Die Preise für Wohnimmobilien werden im Schnitt nicht signifikant einbrechen, weil dafür die Nachfrage einfach zu hoch ist“, sagte Wintels der Nachrichtenagentur dpa. Regional gebe es dabei starke Unterschiede. In Metropolen reagierten die Preise deutlich geringer als in weniger begehrten Lagen. Sorge bereite Wintels aber der Nachfrageeinbruch bei Immobilienkrediten und beim Neubau als Folge von Zinsanstieg und Inflation, die Bau- und Finanzierungskosten in die Höhe trieben.

München verliert an Wert

Doch inzwischen verlieren selbst Immobilien in ausgesprochenen Boommärkten wie München deutlich an Wert. So sind die Immobilienpreise in der bayerischen Landeshauptstadt seit Mitte vergangenen Jahres um mehr als zehn Prozent zurückgegangen, wie aus dem Immobilienmarktbericht der Stadt München hervorgeht, den Kommunalreferentin Kristina Frank am Dienstag in München vorgestellt hat. Das Besondere daran: Basis dieser Erhebung sind die tatsächlich abgeschlossenen Kaufverträge, also keine Schätzungen oder Erwartungen. So kostete eine Bestandseigentumswohnung im zweiten Quartal 2023 noch 8050 Euro pro Quadratmeter, nach 9200 Euro im zweiten Quartal 2022, ein Rückgang von 13 Prozent. Bei Neubauwohnungen liege der Rückgang im selben Zeitraum bei 8,5 Prozent. Die Zahl der abgeschlossenen Kaufverträge ging bereits 2022 stark zurück — um 29 Prozent. In den ersten fünf Monaten 2023 habe sich der Rückgang sogar auf 50 Prozent beschleunigt.

Die angespannte Situation lenkt den Blick auf Immobilienaktien wie Vonovia, TAG, LEG oder Aroundtown. So musste etwa Vonovia im ersten Quartal einen operativen Gewinnrückgang von 17 Prozent verbuchen. Abwertungen auf den Immobilienbestand führten unter dem Strich zu zwei Milliarden Euro Verlust. Wohnungsverkäufe sollen die hohe Verschuldung drücken. Die Aktie hat seit Jahresbeginn noch mal deutlich verloren, tendiert jedoch seit April seitwärts.

Sobald die Leitzinsen nicht mehr weiter steigen, werde die Börse die Immobilienkonzerne nicht mehr so pauschal bewerten wie in den vergangenen 14 Monaten, sagte Sven Carstensen von der Beratungsfirma Bulwiengesa zu €uro am Sonntag. „Dann wird jedes einzelne Unternehmen wieder differenzierter betrachtet werden. Wer als Unternehmen gut mit Eigenkapital ausgestattet ist, dürfte dann gegenüber den Wettbewerbern im Vorteil sein.“

Eine rasche Entspannung an der Zinsfront zeichnet sich allerdings bislang nicht ab. Die US-Bank Goldman Sachs rechnet deshalb zunächst mit weiteren Wertverlusten bei den Immobilienkonzernen. Anleger sollten die Zinspolitik der Notenbanken und eine mögliche Zinswende im Auge behalten.

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Dieser Artikel erschien zuerst in Euro am Sonntag 26/2023. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft.