Ölriese Adnoc will Covestro schlucken. M & A-Welle rollt. Wie Anleger beim kurstreibenden Übernahmepoker mitverdienen können.

Der staatliche Ölkonzern Adnoc aus Abu Dhabi will Covestro übernehmen. Der deutsche Chemiekonzern hat „ergebnisoffene“ Gespräche bestätigt. Auch wenn die Vorstellungen über einen Kaufpreis noch deutlich auseinanderliegen — Adnoc soll zuletzt 60 Euro je Aktie in Aussicht gestellt haben, Analysten halten mindestens 70 Euro für angemessen —, zeigt der Vorgang einmal mehr: Deutsche Firmen sind ins Visier internationaler Kaufinteressenten geraten.

Weitere aktuelle Beispiele sind etwa der zweitgrößte deutsche Softwarekonzern Software AG oder das Bremer Raumfahrtunternehmen OHB, die beide von Finanzinvestoren übernommen werden. Im Chemiebereich gelten nach der Offerte für Covestro beispielsweise die Spezialchemiefirma Lanxess und der Karbonspezialist SGL Carbon als potenzielle Ziele ausländischer Käufer.

"Deutsche Konzerne extrem niedrig bewertet - das macht es für Käufer attraktiv, jetzt einzusteigen"

„Deutsche Unternehmen sind derzeit an der Börse extrem niedrig bewertet“, erläutert Union-Investment-Fondsmanager Arne Rautenberg gegenüber Börse Online. „Das liegt vor allem auch an den vielen Problemen hierzulande, die die Kurse belasten, von der schwerfälligen Politik bis zur unsicheren Energieversorgung.“ Dennoch seien es gut aufgestellte Unternehmen, die hervorragend verdienten. „Diese Konstellation macht es für Käufer attraktiv, jetzt einzusteigen.“ Wenn sich an den Rahmenbedingungen hierzulande nichts ändere, würden diese Übernahmen auch weitergehen. „Man kann hier schon von einem Ausverkauf deutscher Industrieunternehmen sprechen“, sagt Rautenberg.

Trifft das wirklich zu? Nachfrage im Bundeswirtschaftsministerium: Ein „steigendes Interesse an deutschen Unternehmen“ könne man nicht bestätigen, sagt ein Sprecher des Ministeriums gegenüber Börse Online. Ansonsten wolle man Covestro nicht weiter kommentieren.

Der Kunststoffhersteller hatte am vergangenen Wochenende erstmals offiziell Verhandlungen über eine milliardenschwere Offerte des staatlichen Ölkonzerns Adnoc aus Abu Dhabi bestätigt. Die Gespräche seien ergebnisoffen, insbesondere, ob und zu welchen Konditionen überhaupt eine Vereinbarung zustande komme.

Covestro-Aktie im Rally-Modus

An der Börse sorgte das für Auftrieb: Die Covestro-Aktie kletterte um weitere zehn Prozent auf 53 Euro. Die Rally hatte bereits Mitte Juni begonnen, nachdem erste Branchenspekulationen über eine Adnoc-Offerte von 55 Euro je Aktie durchgesickert waren (siehe Grafik links). Im Juli hieß es, Adnoc biete 57 Euro. Zuletzt war von 60 Euro die Rede. Ein offizielles Angebot lag bis Redaktionsschluss aber nicht vor.

Analysten halten jedoch mindestens 70 Euro für angemessen. Kepler Chevreux verweist darauf, dass auf Basis mittelfristiger Vorsteuergewinn-Multiples ein Unternehmenswert von 16,8 Milliarden Euro resultiert. Abzüglich der Nettoverschuldung wäre Covestro demnach mit 13,3 Milliarden Euro fair bewertet — oder 70 Euro je Aktie.

Adnoc könnte Covestro aber auch mit Zugeständnissen locken, beispielsweise der Zusicherung der Eigenständigkeit, Börsennotiz in Deutschland und Milliardenunterstützung bei der grünen Transformation.

Inzwischen sollen sich auch mehrere Hedgefonds bei Covestro positioniert haben, die auf einen höheren Preis spekulieren. Auch der Einstieg sogenannter aktivistischer Investoren gilt als möglich. Sehr risikoorientierte Anleger können ebenfalls auf einen kurstreibenden Übernahmepoker setzen, müssen aber die Möglichkeit eines Scheiterns mit Kursrückschlägen im Auge behalten. Die Baader Bank stuft dieses Risiko beispielsweise als hoch ein. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Covestro-Deal zu 70 Euro je Aktie tatsächlich zustandekomme, liege bei lediglich 30 Prozent, heißt es bei der Bank.

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