Inmitten wachsender Erwartungen wird Tim Cook, CEO von Apple, heute Abend voraussichtlich eine bahnbrechende Neuheit vorstellen: die erste Apple VR-Brille. Wir verraten, wie diese Innovation die Wirtschaftslandschaft formen könnte und was sie für die zukünftige Strategie von Apple bedeutet






Es ist schon lange her, dass die Erwartungen vor der Keynote zu einer Apple-Entwicklerkonferenz WWDC so hoch waren wie vor jener, die hierzulande heute ab 19 Uhr online auf apple.com  - hier geht's zum Event - oder via Apple TV App live übertragen wird. Nach sieben Jahren Entwicklung und milliardenschweren Investitionen wird Chef Tim Cook voraussichtlich die erste Brille für die bisher überwiegend aus Computerspielen bekannte Virtual Reality (VR) vorstellen. Zu der für das Ereignis geladenen Prominenz zählt auch Norman Chan, der für seine Analysen und Berichte zu VR-Produkten in Amerika gefeirt wird: "Norm eingeladen, Headset bestätigt", hieß es deshalb auf Twitter als Chan seine Einladung zum WWDC-Event in sozialen Netzwerken öffentlich gemacht hatte. Apples VR-Brille soll Reality Pro heißen, stolze 3000 Dollar kosten über 4K-Auflösung verfügen, ein eigenes Betriebssystem und voraussichtlich auch Apple eigene Chips haben. VR-Konkurrent Meta nutzt dagegen Chips von Qualcomm.

Blockbuster App als möglicher VR-Gamechanger

Was fehlt, sind Informationen zu einer App mit Blockbuster-Potenzial für Apples VR-Gadget. Der Nachzügler aus Cupertino könnte damit an den bisherigen Schwergewichten im VR-Markt, Alphabets Google, Meta, Microsoft oder Sony, zügig vorbeiziehen. Denn bisher ist es keinem gelungen, die von vielen ersehnte Magie für die neue VR-Welt zu entfachen. Einst gelang das Nokia und Motorola auch bei Smartphones nicht. Erst als Apple im Januar 2007 das iPhone präsentierte, wurde das Potenzial von Smartphones nach und nach real, zu spät für Nokia und Motorola.


Trend zu Wereables

Auch bei VR könnte Apple mit reduziertem Design, Software und einfacher Bedienung begeistern. "Entscheidend für langfristigen Erfolg ist es, die Softwareentwickler auf seiner Seite zu haben. Deshalb ist es wichtig, die VR-Brille auf der Entwicklerkonferenz zu präsentieren", sagt der Technologiespezialist und langjährige Apple-Kenner Gene Munster. Der Experte, heute beim US-Vermögensverwalter Deepwater Asset Management, erläutert das anhand Erfolgsstorys verschiedener Technologien:

Mit Microsofts Entwicklerkonferenz 1980 begann der Siegeszug des PCs; 2007 stellte Chipentwickler Nvidia Cuda vor, Software, um Anwendungen für seine Grafikchips zu entwickeln; auf Apples Entwicklerkonferenz 2008 - ein Jahr nach dem Start des iPhones -wurden Softwarewerkzeuge für externe Entwickler präsentiert.

Umdenken - VR-Headsets werden Smartphones nicht ablösen

Technologie-Experte Munster geht davon aus, dass sich die Präferenzen der Menschen während des nächsten Jahrzehnts von Smartphones stärker zu Wearables wie Computeruhren und auch VR-Brillen verschieben werden.  Allerdings so Munster werden VR-Headsets, anders als bisher von vielen, voraussichtlich auch von Meta-Chef Zuckerberg erhofft Smartphones nicht ablösen sondern ergänzen.

Meta-Chef Mark Zuckerberg legt mit Kampfpreisen vor

Wie nervös die Konkurrenz, allen voran Mark Zuckerbergs Konzern Meta Platforms, vor Apple Mega-Event ist, wurde in der vergangenen Woche  deutlich als Zuckerberg mit Meta Quest 3 eine neue Version seines VR-Headsets präsentierte: 40 Prozent schmaler als das bisherige Modell, mit neuem Display und einer höheren Auflösung, zentral gesteuert von einen Qualcomm Chip. Es sei das bisher leistungsstärkste VR-Headset trommelte Zuckerberg in sozialen Netzwerken für die High-Tech Brille. Zuckerberg, früh in diesem Markt gestartet, hofft hier langfristig eine ähnliche Dominanz zu erreichen wie Apple und Alphabets Tochter Google mit ihren Betriebssystemen für Smartphones und weitere mobile Geräten. Metas neues VR-Headset soll ab Herbst zu Preisen ab 499 Dollar erhältlich sein, für rund ein Sechstel des geschätzen Preises für Apples VR-Brille, die mit einer 4K-Auflösung ausgestattet sein soll. Es ist Zuckerbergs nächster Versuch sich im VR-Universum zu behaupten.

Herbe Dämpfer für VR- und Metaverse-Visionen

Parallel zu den milliardenschweren Investitionen in den Aufbau und in die Etablierung des Metaverse, Zuckbergs Vorstellung vom Internet der nächsten Generation, hatte der Unternehmer im Jahr 2021 seinen Konzern Facebook in Meta Platforms umbenannt. Dann wurde der von Zuckerberg angefachte Metaverse-Hype im vergangenen Jahr schlicht überrollt durch den nächsten Hype - Künstliche Intellligenz (KI). Die Finanzierung von Metaverse-Startups im Silicon Valley brach dramatich ein. Milliarden wurden umgeschichtet -  zu Gunsten von KI.

Die milliardenschweren Verluste der Meta-Tochter Reality Labs, zuständig für die VR-Headesets und Metaverse-Technologie, waren für den Social-Media-Riesen Meta 2022 zu einer erheblichen  finanziellen Bürde gewachsen, die so nicht mehr tragbar war. Chef Zuckerberg war gezwungen die Kosten deutlich runterzufahren. Der gesamte Technologiesektor - außer Apple - drückte stark auf die Kostenbremse. Die Folgen sind bekannt: Entlasssungswellen im Silicon Valley.

Doch nicht nur Meta, auch Google und Microsoft ist es bisher nicht gelungen, den Markt für VR-Headsets wie erhofft groß ins Rollen zu bringen. "Der Aufbau des Metaverse ist ein langfristiges Projekt. Wir sind weiterhin überzeugt davon", gab sich Zuckerberg im April kämpfrisch. Wenige Wochen zuvor, im März, hatte sein Konzern die Preise für VR-Headsets deutlich gesenkt: für das Top-Modell Meta Quest Pro in den USA und Kanada von 1499 to 999 Dollar und für das Meta Quest 2 Modell with 256 Gigabyte-Speicher von 499 auf 429 Dollar.

Apples Burggraben bei VR-Headsets

Die gegenwärtige Situation  im Markt - mit großen Akteuren, denen es bisher nicht gelungen ist, nachhaltige Begeisterung für die neue digitale Welt zu entfachen - wie einst Nokia, Motorola und anderen bei Smartphones - könnte sich für Neueunsteiger Apple als außergewöhnlich günstig erweisen. Auch weil der Konzern inzwischen über viel Kompetenz in der Entwicklung eigener Chips verfügt. Daran gemessen sind die Kalifornier heute der zehntgrößte Chipkonzern der Welt. Mit der Kombination der eigenen Chips mit eigener Software und Betriebssystemen sind Effzienz- und Leistungsstandars möglich bei der die Konkurrenz das Nachsehen hat. Aktuelles Beispiel: der Erfolg und die Überlegenheit von Apples Macbooks mit eigenen Mikroprozessoren.

Apple müsse sich jetzt die  Gunst externer Entwickler sichern, bevor Meta, Alphabet, Microsoft oder andere einen Burggraben aus Soft-und Hardware aufbauen, der nur noch schwer zu überwinden sei, meint Munster.  Im Jahr 2007 hatte Apples iPhone die beste Hardware, deshalb bevorzugten externe Entwickler damals die Plattform. Das muss dem Konzern aus Cupertino nun erneut gelingen.


Apples VR Perspektive - ein Zehntel des Umsatzes im Jahr 2030

Gelinge es Apple, Entwickler von seinem VR-Headset zu überzeugen, werde es bis 2027 dauern, bis auch Apples VR-Brillen zum massenmarkttauglicheren Preis von rund 700 Dollar verfügbar sein könnten, schätzt Experte Munster. Die Anzahl der verkauften Brillen dürfte bis dann jährlich um 20 Prozent zulegen, ab 700 Dollar um 60 Prozent pro Jahr. Bis 2030, im achten Jahr nach der Einführung, könnte Apple dann jährlich 75 Millionen VR-Headsets verkaufen, eine ähnliche Entwicklung wie bei der Apple Watch, sagt Munster. Heute, acht Jahre nach der Einführung, würden 45 Millionen Uhren pro Jahr verkauft. Die rund 75 Millionen VR-Headsets zum Preis von 700 Dollar würden 53 Milliarden Dollar Erlös liefern. Bei jährlich fünf Prozent mehr Gesamtumsatz bis 2030 würde Apple 550 Milliarden Dollar erlösen, ein Zehntel davon mit VR-Headsets, sagt Munster voraus.

Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch und der zweite Vorstand der Börsenmedien AG, Herr Leon Müller, sind unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Apple.